25. Juni 2020
Bald studiere ich nun schon drei volle Semester an meiner Uni in Mexiko. Aber was macht eigentlich den Studienalltag im Land aus und was sind die größten Unterschiede zwischen dem Studium in Mexiko und Deutschland? Eines ist sicher, hier zur Uni zu gehen ist eine ganz besondere Erfahrung!
In meinem ersten Blog und in diesem Beitrag habe ich bereits etwas zur Struktur meines Studiums in Mexiko erzählt. Während mein erstes Semester nur aus Pflichtkursen bestand, die quasi das Grundgerüst des Studiums bildeten und die wir im immer gleichen „Klassenraum“ besucht haben, konnte ich im zweiten Semester die Hälfte meiner Kurse mehr oder weniger frei wählen. Mein drittes Semester und viertes vom Masterstudiengang in Mexiko besteht jetzt nur noch aus der Abschlussarbeit.
Studieren in Mexiko schult dein Durchhaltevermögen!
Die 90-minütige Vorlesung in Deutschland kommt dir lang vor, du kommst immer circa zehn Minuten zu spät und schaltest circa 15 Minuten vor Ende gedanklich ab? Dann zieh dich warm an, denn in Mexiko ist es ganz normal, dass die Vorlesungen drei oder auch mal vier Stunden dauern mit 5-10 minütigen Pausen zwischendrin. Nach der Vorlesung kann man aber auch keine lange Pause erwarten, sondern hat teilweise gerade mal eine halbe Stunde Zeit um mal durchzuatmen, aus dem Gebäude zu gehen und schnell etwas zu Essen zu holen und runterzuschlingen.
Du hast verschlafen und möchtest die eine Vorlesung aussetzen und lieber bequem von zu Hause aus die Präsentation durchgehen? In Mexiko kaum denkbar. Die Professor*innen kennen dich und wenn du trotz Anwesenheitspflicht nicht erscheinst, wird es ihnen garantiert auffallen und sie werden nach dir fragen. Außerdem laden die meisten Profs ihre Präsentationen auch nicht hoch, wenn sie denn eine nutzen.
Ein bisschen Old School?!
Abgesehen davon, dass manche Professor*innen etwas medienscheu sind, ist das Studium generell stark verschult und der Unterricht ist oft frontal, das heißt, die meiste Zeit reden die Dozenten und stellen ab und zu Fragen an die Studierenden. Andererseits gibt es natürlich auch Input seitens der Student*innen in Diskussionen am Ende eines Blocks oder während Präsentationen. Wenn der Professor oder die Professorin glaubt, dass du gerade abgelenkt bist oder dich am Handy sieht, wird man auch schon mal vor allen bloßgestellt, sei es mit einer Frage zum Thema oder der direkten Aufforderung aufzupassen. Der Umgang zwischen Dozenten und Studierenden ist einerseits informeller als in Deutschland, man duzt sich und spricht sich mit Vornamen an, andererseits wird man viel mehr beaufsichtigt und kontrolliert.
Sehr angenehm sind die kleinen Gruppen in den Kursen. Während im ersten Semester alle nationalen und internationalen Studierenden meiner Generation die Kurse gemeinsam hatten (insgesamt 31 Personen), waren wir in den Wahlpflichtkursen teilweise nur 4 Leute. Das macht den Unterricht natürlich um einiges dynamischer.
Die Prüfungsleistungen variieren von Modul zu Modul. Hausaufgaben und Zusammenfassungen von Lektüren sind aber sehr verbreitet. Dazu kommen Präsentationen, Essays und drei oder vier Prüfungen pro Semester. Auch Exkursionen sind oft Teil der Kurse, diese waren für mich superinteressant und eine tolle Chance die umliegende Natur zu entdecken. Innerhalb meines Ökologie-Kurses haben wir zwei verschiedene Exkursionen gemacht, eine ins Hochland des Staates, die andere durch eine Zone verschiedener Waldarten, einschließlich Regenwald. Die zweite Exkursion war inklusive einer Übernachtung und Freizeit zum Baden an einem Wasserfall. Da wir hinterher einen Bericht abgeben mussten, war es auf jeden Fall hilfreich den Professoren mit dem Aufnahmegerät hinterherzulaufen, bei dem Informationsschwall zu Pflanzenarten und Ökosystemen, der aus ihnen rausgesprudelt ist.
Die liebe Abschlussarbeit…
Die Masterarbeit ist von Tag 1 an Thema im Studium gewesen. Bevor das erste Semester überhaupt offiziell begann, hatten wir bereits Gespräche mit unserer Koordinatorin über unser mögliches Thema und welche Betreuer*innen für uns infrage kommen könnten. Mit der Abschlussarbeit ist außerdem ein riesiger bürokratischer Aufwand verbunden. Hat man seine Betreuer*innen gefunden, muss man sie ständig um Unterschriften bitten. Um den Titel der Arbeit festzulegen, um den Titel oder das Thema zu ändern, um sich Fortschritte bescheinigen zu lassen, und so weiter.
Ab dem zweiten Semester wird an einem Protokoll der Masterarbeit gearbeitet, welches das Forschungsvorhaben darlegt und einen Zeitplan mit Meilensteinen beinhaltet. Dieses Protokoll wird dann am Ende des Semesters vor allen Kommiliton*innen, Doktorand*innen und Professor*innen präsentiert und diskutiert und bis zum Ende des Studiums weiter ausgebaut.
Die Betreuer*innen haben an meiner Uni einen sehr großen Einfluss auf das Studium ihrer Studierenden. Sie geben teilweise vor, welche Kurse du belegen solltest, bestimmen über Inhalt und Form der Arbeit und müssen um Erlaubnis gefragt werden, wenn man zum Beispiel in den Semesterferien plant zu verreisen (ob man sich an das Letzte hält, ist eine andere Sache…). Während einige Professor*innen sehr locker sind und den Studierenden freie Hand lassen, gibt es andere, die zum Beispiel jede Woche einen Zwischenbericht haben wollen. Letzteres liegt daran, dass die Forschung einen sehr großen Stellenwert für die Professoren hat und regelmäßige Publikationen Pflicht sind. Mit meiner Betreuerin habe ich das Glück, wöchentlich telefonieren zu können um Fragen zu klären, ohne mich durch zusätzliche Zwischenabgaben unter Druck gesetzt zu fühlen.
Warum ist das alles so streng?
Mein Master-Studiengang ist von der mexikanischen Regierung als Studiengang mit Qualität eingestuft, was Zugriff auf finanzielle Förderung für Forschungsprojekte und Stipendien für Studierende bedeutet. Um diesen Status zu erhalten, müssen ganz bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden und die akademische Leistungen werden stets von der entsprechenden Behörde überprüft. Für die Studierenden bedeutet das zum Beispiel, dass sie durch keine einzige Prüfung fallen dürfen und einen Notendurchschnitt von 80 % halten müssen. Umgerechnet entspricht das je nach Uni in Deutschland etwa einer 2,3. Bestehen tut man mit 70 %, also 3,0.
Da meine Uni, genauso wie die UNAM, eine autonome Uni ist, kann die Koordinatorin eines Studiengangs individuell die Termine des Semesterablaufplans festlegen. Außerdem ist auch jede*r Professor*in unabhängig in der Art und Weise wie er oder sie den Inhalt der Kurse gestaltet, prüft und bewertet.
Was mir an der Uni in Mexiko sehr gut gefällt ist, dass der Unterricht viel angewandter ist, als ich das von der Universität in Deutschland kenne. Manche Dozent*innen arbeiten nebenher auch als Berater für Betriebe und können daher den Unterrichtsstoff an Beispielen aus vergangenen oder aktuellen Projekten darlegen.
Natürlich kann ich nur von meiner Uni in San Luis Potosí sprechen und die Erfahrungen nicht verallgemeinern. Schaut doch mal zum Vergleich auf den Seiten von Laura, Malte, oder Christian vorbei, die an der UDLAP in Puebla und an der UNAM in Mexiko-Stadt studiert haben.