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Wie lebt es sich in einem buddhistischen Tempel in Südkorea?


Ich habe zweieinhalb Tage in einem buddhistischen Tempel auf der koreanischen Halbinsel Gangwha-do verbracht und den Tagesablauf der Mönche hautnah miterlebt. Wie genau das aussah und was ich von der Erfahrung mitgenommen habe, erfährst du in diesem Artikel.

„Templestay“ ist ein Kulturprogramm, das es jedem ermöglicht, hautnah einen Einblick in die 1.700 Jahre alte Tradition des koreanischen Buddhismus zu erhalten. Eine einzigartige Chance, für ein paar Tage in einem Tempel zu leben und den Alltag eines praktizierenden Buddhisten kennenzulernen. Dabei richtet sich das Programm keinesfalls nur an Touristen oder Nicht-Buddhisten, sondern auch an Einheimische, die entweder mehr über den koreanischen Buddhismus erfahren oder ihre eigene Praxis vertiefen möchten, wenn sie bereits Buddhismus praktizieren. So ist es auch unter (jungen) Koreanern gang und gäbe, einen Templestay zu machen.

Die Qual der Wahl

Um zu entscheiden, in welchem Tempel man den Templestay machen möchte, ist ein Blick auf die offizielle Website hilfreich. Hier hat jeder der 27 partizipierenden Tempel eine eigene Unterseite und man kann sich einen Überblick verschaffen, wo der Fokus der jeweiligen Programme liegt und wie das Tempelgelände jeweils gestaltet ist. Außerdem natürlich auch nicht zu vernachlässigen: die Lage. Vielleicht möchtest du zum Beispiel von Seoul aus einen Trip nach Jeonju machen und bist dann schon in der Jeonbuk Provinz. Dann bietet es sich natürlich an, die Reise mit einem Templestay in der Nähe zu verbinden.

Das Lotus Lantern International Meditation Center

Meine Wahl fiel auf das „Lotus Lantern International Meditation Center“ auf der Halbinsel Gangwha-do. Für mich war zum einen entscheidend, dass es sich hierbei um einen verhältnismäßig kleinen Tempel handelt und der Fokus auf Meditation liegt. Zum anderen war auch die gute Erreichbarkeit von Seoul nach Gangwha-do ausschlaggebend. So musste ich lediglich an der Hapjeong Station in den 3000er Bus hüpfen und war nach einer knapp anderthalbstündigen Fahrt schon fast da.

Vorderansicht der Main Buddha Hall des Tempels
Die Main Buddha Hall des Lotus Lantern International Meditation Centers.

Angekommen am Gangwha-do Busterminal, habe ich noch eine letzte Zigarette für die nächsten zweieinhalb Tage geraucht, während wir (ich bin gemeinsam mit zwei Freundinnen gefahren) darauf warteten, abgeholt zu werden. Kurze Zeit später rollte ein dunkelgrauer Minivan auf den Parkplatz, samt eines koreanischen Mönchs am Steuer. Ich musste etwas schmunzeln – so verschmelzen Moderne und Tradition eben. Dieser erste Eindruck festigte sich auch beim Gespräch während der Fahrt mit dem Mönch, dessen Name übrigens Saju ist. Er erklärte uns, dass er das Programm die nächsten beiden Tage koordiniert, für unser Wohl zuständig ist und wir mit allen Fragen auf ihn zukommen können. Viel spannender fand ich die Tatsache, dass er gerade seinen Master in Anthropologie an der Seoul National University macht und quasi nur noch nebenbei in dem Tempel tätig ist. Auf dem Weg zum Tempel entschloss ich mich, mein Handy auszuschalten und für die nächsten Tage komplett offline zu gehen.

Den Alltag hinter sich lassen

Im Tempel angekommen, wurde uns zunächst unser Zimmer gezeigt. Alles war sehr schlicht und sauber gehalten und nur die nötigsten Dinge waren vorhanden: ausklappbare Futonmatten, Kopfkissen und Decken. That’s it! Dann wurde uns die Tempelkleidung überreicht und wir haben uns umgezogen. Alle Teilnehmer eines Templestays tragen die gleiche Uniform bestehend aus einer lockeren Leinenhose, einem weiten T-Shirt und einer Leinenweste darüber.

Mönch und zwei Templestay-Teilnehmer beim Spaziergang
Hier erkennt man die Tempeluniform ganz gut.

Tempel-Etikette

Neben der Kleidung gibt es außerdem eine Tempel-Etikette, an die man sich streng halten muss. Saju erklärte uns, dass all diese Regeln den Mönchen dabei helfen, sich darauf zu fokussieren, bewusst mit ihrer Aufmerksamkeit im Moment zu sein:
Begrüßung: Wann immer du jemanden auf dem Tempelgelände begegnest, platzierst du deine Hände in der sogenannten „Hapjang“-Haltung (Handinnenflächen vor der Brust aufeinanderlegen) und verbeugst dich halb.
• „Noble Silence“: Hierbei handelt es sich wohl um eine der größeren Herausforderungen während des Templestays. Es gilt, nur so wenig wie möglich zu reden und dementsprechend seinen Blick aufmerksam nach innen zu richten. Während des Essens sowie in der Main Buddha Hall sollte kein einziges Wort gesprochen werden.
Temple Food: Bevor das Essen begonnen wird, gilt es sich in Gedanken für das Essen zu bedanken. Als Reminder sowie kleine Unterstützung befindet sich auf jedem Tisch in der Dining Hall ein „Meal Verse“.
Chasu: Diese überkreuzte Haltung der Hände vor dem unteren Bauch gilt es die gesamte Zeit einzunehmen, wenn man sich auf dem Tempelgelände bewegt. Die Haltung steht dafür, dass man einerseits seine Gedanken nach innen richtet und andererseits trotzdem sehr aufmerksam gegenüber allen anderen ist.
Peaceful Walking: Wenn man ab einer Gruppe von zwei Personen über das Tempelgelände läuft, gilt es, geordnet hintereinander in einer Reihe zu laufen. Auf diese Weise trainiert man seine Aufmerksamkeit und das „Im-Hier-und-Jetzt-Sein“ zusätzlich, da man ganz aufmerksam auf die Bewegungen der Person vor einem achten muss. Außerdem läuft man nur sehr langsam. Auch das hilft dabei, präsent zu sein.
Buddhistische Zeremonien: Jeden Morgen und Abend findet eine Zeremonie („Yebul“) in der Main Buddha Hall statt. Hierbei gilt es allen Anweisungen der Mönche zu folgen.

Ein typischer Tagesablauf im Tempel

Der frühe Vogel

Der Tagesablauf beim Templestay hat sich ganz schön von meinem normalen Rhythmus in Seoul unterschieden. So klingelte mein Wecker bereits um 3:45 Uhr in der Früh (wohl eher mitten in der Nacht), damit ich pünktlich um kurz vor 4 Uhr an der Main Buddha Hall zum morgendlichen „Yebul“ eintreffe. Unter Yebul versteht man den zeremoniellen Gruß an Buddha, der ca. 60 Minuten dauert und Gesang sowie Verneigungen beinhaltet.

Die Zeit zwischen dem Ende der Morgenzeremonie gegen 5 Uhr und dem Beginn der Tempelfrühstücks um 6:30 Uhr, empfiehl uns Saju zu nutzen, indem wir uns noch einmal hinlegen, damit wir dann erholt in den Tag starten können. Am ersten Tag habe ich es so gehandhabt. Am zweiten habe ich die Zeit jedoch genutzt, um zu lesen und mir im Anschluss den Sonnenaufgang anzusehen. Was für ein herrlicher Start in den Tag!

Tempelgelände und Garten im Morgengrauen
Das Tempelgelände im Morgengrauen inklusive leichtem Nebel.

Templefood – hier kommen Veganer auf ihre Kosten

Das Frühstück bestand wie alle Tempelmahlzeiten aus einem Buffet mit verschiedensten, veganen Leckereien; allesamt zubereitet von der tempeleigenen Köchin und die meisten Zutaten stammen aus eigenem Anbau auf dem Tempelgelände. Das schmeckt man auch! Bezüglich des Essens gilt es zu beachten, dass man sich nur so viel auftun sollte, wie man auch aufessen kann. Auf diese Weise soll so wenig Essen wie möglich verschwendet werden. Sprich lieber zu wenig auftun und noch ein zweites Mal nachlegen.

Tempelfrühstück auf dem Teller: Reisbrei, Nüsse, Obst, Tofu, Tomaten und eine koreanische 'Doenjang' Suppe
So sieht ein Tempelfrühstück aus: Reisbrei, geröstete Nüsse, frisches Obst, Tofu, Tomaten und eine „Doenjang“ Suppe aus fermentierter Sojabohnenpaste (oben im Bild erkennt man übrigens den „Meal Verse“).

Walking Meditation

Im Anschluss an das Frühstück gab es eine ca. 15minütige Pause bevor es dann auf in die Walking Meditation ging. Am ersten Tag war dies ein Spaziergang vom Tempel aus in die umliegende Natur. Am zweiten Tag habe ich mich von der Gruppe losgelöst und in der Meditation Hall meditiert. Generell sei angemerkt, dass man stets frei entscheiden kann, ob und an welchen Programmpunkten man teilnehmen möchte.

Traditionelle koreanische Teezeremonie

Nach der Walking Meditation gab es eine ca. 30minütige Pause und es folgte eine Teezeremonie mit dem Head Monk des Tempels. Das war eine ganz besondere Erfahrung. Der Head Monk hatte so eine gelassene, positive Ausstrahlung und es war sehr interessant, sich mit ihm zu unterhalten und mehr über seine Lebensgeschichte und -einstellung zu erfahren. Etwas, das mir vermutlich immer in Erinnerung bleiben wird: Auf meine Frage hin, womit er sich am liebsten befasst beziehungsweise welche Beschäftigung ihn am meisten erfüllt, antwortete er schlichtweg: „Jetzt gerade mit euch hier zu sein und Tee zu trinken.“ Das mag erst einmal banal klingen. Für mich steckt in dieser Aussage jedoch so viel über die buddhistische Lebenseinstellung. Nämlich immer bewusst im Hier und Jetzt zu sein und nicht mit seinen Gedanken in die Vergangenheit oder Zukunft abzuwandern.

Nach einer kurzen Pause im Anschluss an die Teezeremonie gab es auch schon Lunch. Genau wie zum Frühstück wurden wieder eine Vielzahl von veganen „Banchan“ (koreanische Beilagen), eine Suppe, Reis und Obst serviert. So lecker!

Utensilien für eine koreanische Teezeremonie auf einem Tisch
Ich habe keine Fotos von der Teezeremonie mit dem Head Monk. Allerdings haben wir am zweiten Tag selbst die Teezeremonie gelernt. All diese Utensilien gehören dazu.

Nach dem Essen sollst du ruhen oder tausend Schritte tun

Fast! Bei meinem Templestay waren es nicht tausend Schritte, sondern 108 Kniefälle (im Englischen „Prostrations“). Dabei handelt es sich um eine Form der Meditation in Bewegung. Das Ziel der Kniefälle ist, sich und sein Ego vor dem Universum zu verneigen und auf diese Weise Dankbarkeit sowie tiefen Respekt zu zeigen und zu realisieren, dass alles Eins ist.

Nach etwas mehr als der Hälfte wurde das ganz schön anstrengend und es war Willenskraft gefragt. Umso besser war dementsprechend das Gefühl, alle 108 Kniefälle geschafft zu haben.

Step-by-Step Anleitung für einen Kniefall
Das sind die unterschiedlichen Steps eines solchen Kniefalls.

Den Tag ausklingen lassen

Von 17 bis 18 Uhr gab es Abendessen und im Anschluss daran folgte die abendliche Yebul-Zeremonie in der Main Buddha Hall. Danach haben wir uns erneut in der Meditation Hall eingefunden, um zunächst 20 Minuten im Sitzen zu meditieren. Im Anschluss daran zeigte uns Saju eine weitere Form der Walking Meditation, bei der wir zehn Minuten lang extrem langsam im Kreis hintereinander hergelaufen sind. Das mag etwas eigenartig klingen, war jedoch eine sehr gute Erfahrung. Mir fällt die sitzende Meditation tatsächlich etwas schwer und ich habe diese Form der Walking Meditation nicht nur als einfacher, sondern zugleich intensiver empfunden. Durch die extrem geringe Geschwindigkeit der eigenen Bewegungen habe ich alles viel deutlicher wahrgenommen. Außerdem hat mir die Bewegung dabei geholfen, nicht mit meinen Gedanken abzuwandern.

Nach der Meditation hatten wir noch etwa eine Stunde Zeit, bevor um 21 Uhr offiziell die Lichter gelöscht werden sollten. Saju trug uns auf, diese Zeit dafür zu nutzen, die Erlebnisse des Tages zu reflektieren und sich zu fragen, was einem besonders gut gefallen hat. Für mich waren es die Teezeremonie und das Gespräch mit dem Head Monk, dicht gefolgt von der Walking Meditation am Abend, da es mich sehr überrascht hat, wie intensiv es sich angefühlt hat, obwohl es von außen betrachtet lediglich extrem langsames Laufen war.

Was habe ich gelernt?

Der größte Eye-Opener war für mich die Erkenntnis, dass sich diese zweieinhalb Tage Templestay fast wie eine gesamte Woche angefühlt haben. Der Grund dafür liegt meiner Meinung nach zum einen darin, dass ich mich immer wieder darauf besinnt habe, bewusst im Hier und Jetzt zu sein und alles wahrzunehmen, was gerade passiert. Damit steht direkt die Tatsache in Verbindung, dass ich mich so gut es ging nicht abgelenkt habe – sei es mit meinen Gedanken oder durch äußere Einflüsse wie Social Media. Wie ihr an den Fotos bemerkt, konnte ich zwischendurch trotz des eigentlich ausgeschalteten Handys jedoch nicht anders, und wollte das Ganze kurz fotografisch festhalten.

Zum anderen hat sich die Zeit meiner Meinung nach aufgrund der Entschleunigung intensiver angefühlt.

Und ich habe den Templestay mit dem Gefühl verlassen, dass ich mich mehr in ebendieser Entschleunigung und Ruhe üben möchte. Warum muss immer alles ganz fix fertig gemacht werden oder man hetzt ständig von A nach B? Davon hat am Ende niemand etwas. Ich habe durch den Templestay also nicht nur etwas über den koreanischen Buddhismus gelernt, sondern auch über mich selbst.

Drei Templestay Teilnehmer in Wanderpose
Bei all der Entschleunigung und Präsenz durfte natürlich trotzdem der Spaß nicht fehlen! Hier imitieren wir das Wanderweg-Icon, das im Hintergrund auf dem Pfahl zu erkennen ist.

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