11. Februar 2020
Ein Auslandssemester gehört bei vielen zum Studienverlauf dazu, aber für die meisten Studierenden mit Kind nicht. Wie man sich an das Abenteuer Auslandsstudium und -praktikum trotz Kind wagen kann, erfahrt ihr an meinem Beispiel.
Zum Praktikum nach Kasachstan
Vor der Schwangerschaft hatte ich fest eingeplant, ins Ausland zu gehen. Als ich dann ein Kind erwartete, stand das natürlich nicht mehr auf der Liste. Und ich konnte nur den anderen 70 Prozent aus meinem Studiengang hinterherschauen, die ins Ausland gingen.
Ich habe Sozialwissenschaften mit Schwerpunkt Interkulturelle Beziehungen studiert, dafür war ein Praktikum verpflichtend. Da ich immer den Traum hatte, an einer Botschaft im Ausland zu arbeiten, habe ich mich für ein Auslandspraktikum an der Deutschen Botschaft in Kasachstan beworben, ohne mir wirklich große Chancen auszumalen. Aber dann kam die Zusage. Für meine Familie war klar, dass das eine einmalige Chance war, die ich nutzen sollte. Meine Tochter Valeria war gerade mal eineinhalb Jahre alt, und wir waren nie länger als zwei Tage voneinander getrennt. Das Praktikum würde mindestens acht Wochen dauern. Valeria war zwar nie anhänglich, hat nie im Kindergarten geweint, aber das war jetzt eine andere Situation. Meine Mutter hat sich für die Zeit Urlaub genommen und ist mit Valeria nach Russland zu unseren Verwandten gefahren, und ich ging ohne Kind nach Kasachstan.
Die ersten Nächte waren komisch: Alleine in einem Bett zu schlafen, nicht aufstehen zu müssen, morgens plötzlich viel Zeit zu haben. Aber über Skype hatten wir zum Glück die Chance, nicht nur miteinander zu reden, sondern uns auch zu sehen. Nicht einmal hat sie am Telefon geweint, da war ich fast schon beleidigt. Wie kann sie mich nicht vermissen? Aber die Freude darüber überwog, dass es ihr gut geht, sie die Zeit genießt und es kein Problem für sie ist.
Nach dem Auslandsaufenthalt studierte ich noch zwei Semester in Fulda, beendete mein Studium in Regelstudienzeit mit einer guten Note und einer kleinen Tochter, die gefühlt zu selbständig für ihr Alter ist.
Zum Master wieder ins Ausland
Einmal nach Amerika …
Nach dem Bachelor habe ich mich entschieden, direkt einen Master zu machen und noch weiter wegzuziehen. Diesmal nach Eichstätt, um dort Internationale Beziehungen zu studieren. Für mich stand außerdem fest, mich für ein Auslandsemester zu bewerben. An erster Stelle stand Amerika, Erasmus kam für mich nicht infrage. Ich spreche keine europäische Sprache so gut, dass ich mir zutraue, in dieser zu studieren. Parallel hatte ich mich als Freemover für Russland beworben. Das Auslandssemester wollte ich eigentlich mit Valeria absolvieren. Nachdem ich mein Visum für die USA bekommen hatte, kam auch die Zusage für Russland; die Uni war bereit, mich auch im nächsten Semester zu nehmen.
nach Russland und weiter …
Die Zusagen für zwei Auslandssemester änderten auch meinen Plan: Meine Mutter, die in der Zwischenzeit in Frührente gegangen war, fuhr mit Valeria wieder nach Russland, ich allein in die USA. Für das das zweite Auslandssemester wollen wir uns in Russland treffen. Sobald ich mein Visum habe, fliege ich nach Moskau und werde an der Moscow State Institute of Internationale Relations studieren. Anfang Februar werde ich dort anfangen. Meine Mutter kommt einige Wochen später mit Valeria nach Moskau.
…in die Schweiz.
Nun bekam ich auch noch eine Zusage für ein Praktikum in der Schweiz. Ab August werde ich für sechs Wochen an der deutschen Ständigen Vertretung bei der Abrüstungskonferenz in Genf als Praktikantin tätig sein. Valeria wird dann wieder bei meiner Mutter bleiben. Beide wollen mich häufiger in Genf besuchen.
Finanzierung
Es gibt Auslandsbafög, das in einigen Fällen auch Studierenden zusteht, die im Inland nicht Bafög-berechtigt sind. Wenn man mit Erasmus ins Ausland geht, gibt es auch einen Zuschlag fürs Kind. Hilfreiche Tipps findet ihr hier.
Was zu beachten ist:
Das Wichtigste ist, erstmal das Kind im Blick zu haben: Ist es sehr an die Wohnung oder das Umfeld gebunden? Braucht es noch eine zeitintensive Betreuung durch die Eltern? Bei Kindern im schulpflichtigen Alter muss eine Schule gefunden werden. Auch das Land kann eine Rolle spielen, wenn es um Kitakosten und die generelle Infrastruktur der Kinderbetreuung geht. In einigen Ländern gibt es an der Uni Kindergärten oder Familienwohnungen auf dem Campus. Für die Planung eines Auslandsaufenthaltes mit Kind sollte man auf jeden Fall mehr Zeit einplanen. Ich habe das Glück, dass sich meine Mutter um meine Tochter kümmern konnte und kann.
Ich wünsche euch allen viel Spaß im Ausland als Familie und viele wundervolle Erfahrungen.