3. Dezember 2018
Sieben Stunden Zeitunterschied, 20 Grad Temperaturdifferenz und absolutes Gefühlschaos – nach sieben Monaten in Asien bin ich nun wieder zurück in Deutschland. Und wer hätte es gedacht: Besonders glücklich bin ich darüber nicht.
Auf dem Weg vom Frankfurter Flughafen nach Hause fühle ich mich leer. Der Rechtsverkehr auf der Autobahn irritiert mich und die 120 km/h fühlen sich plötzlich ungewohnt schnell an. Die Berge des Schwarzwalds sehen durch den grauen Schleier aus Nebel und Regen irgendwie unecht aus und die Brezel ist zu trocken und salzig. Der 16-stündige Rückflug von Singapur nach Deutschland hat mich schlagartig zurück in die Realität katapultiert. Was ich hier gerade durchmache, nennt sich umgekehrter Kulturschock und ich bin nicht die Einzige, die damit fertig werden muss. Immer wieder stehen Rückkehrer aus dem Ausland vor ungewohnten Situationen und wissen nicht, wie sie sich verhalten sollen, was richtig oder falsch ist. Wenn mich jemand fragt, wie es war, sage ich die Wahrheit: Unglaublich schön! Aber jedes Mal habe ich mit den Tränen zu kämpfen. Auch abends, vor dem Einschlafen. Wenn mir bewusst wird, dass ich nicht weiß, wann ich meine Freunde aus Singapur wiedersehen werde. Und jedes Mal, wenn ich ein Lied höre, das mich an den einen Abend in der Karaokebar mit meinen Kollegen erinnert. Abschiede sind nicht schön.
Und dann sind da auf der anderen Seite Freunde und Familie, die nicht immer Verständnis zeigen. Hin und wieder fühle ich mich unverstanden, weiß nicht wo ich anfangen oder aufhören soll zu erzählen. Was können die Zuhörer schon nachvollziehen, ohne jemals selbst dort gewesen zu sein? Nicht jeder versteht, wie sehr ich mich verändert habe und wie sehr ich in dieser kurzen Zeit gewachsen bin. Deshalb bin ich gerade auch umso dankbarer, dass mein Leben hier weitergeht. Vorlesungen und Seminararbeiten, das Tanztraining oder auch der Wocheneinkauf lenken mich ab und sorgen dafür, dass ich meine Emotionen ein bisschen besser kontrollieren kann. Und wenn es dann doch wieder einer dieser Tage ist, an denen ich Singapur besonders vermisse, schaue ich mir die Bilder an und bin dankbar. Dankbar für all die Möglichkeiten, die ich bekommen habe.
Nicht in allen Studiengängen ist ein Auslandssemester vorgesehen und an Universitäten ist in der Regel auch kein Praxissemester in den Studienverlauf integriert. Warum also der ganze Stress für ein paar Monate Abenteuer, nur um sich danach wieder mühevoll im deutschen Alltag zu integrieren, fragt ihr euch sicher. Weil ihr trotz Allem die beste Zeit eures Lebens haben werdet!
Auch wenn uns von der Gesellschaft gerne das Gegenteil vermittelt wird – wir haben Zeit. Zeit, neue Erfahrungen zu sammeln. Zeit, während des Studiums über den Tellerrand zu schauen. Ein Auslandssemester ist eine Investition in die Zukunft. Es prägt die eigene Persönlichkeit nachhaltig. Ihr werdet einige eurer grundlegenden Einstellungen und Überzeugungen in Frage stellen, anzweifeln und daran wachsen, euch weiterentwickeln. Und genau darum geht es doch im Leben, oder nicht? Ich habe 10.000 km entfernt von meinem Alltag in Deutschland wertvolle berufliche Erfahrungen gemacht, kann mir nun gut vorstellen, wie und wo ich später arbeiten möchte und in welche Richtung ich mein weiteres Studium lenken möchte. Allein das ist eigentlich schon Grund genug, für ein Semester ins Ausland zu gehen. Was für mich persönlich allerdings noch viel wichtiger ist, ist die Tatsache, dass ich in Singapur ein zweites Zuhause gefunden habe.
Sieben Monate, sechs Länder, 17 Flüge und unendlich viele schöne Erinnerungen später habe ich so unglaublich viel erlebt und gesehen, Höhen und Tiefen durchlebt und tolle, inspirierende Menschen kennengelernt, dass ich nur sagen kann: Ich hatte die beste Zeit meines Lebens! Mit diesen Worten verabschiede ich mich von euch und hoffe, dass ich vielleicht den ein oder anderen dazu inspiriert habe, den Schritt ins Unbekannte selbst zu wagen. Glaubt mir, es lohnt sich!