20. Mai 2021
Zugegeben: Sowohl Bochum als auch Göteborg sind Großstädte mit mehr als 300.000 Einwohner:innen. Von Dörfern kann man hier also nicht sprechen. Nichtsdestotrotz gibt es bedeutsame Unterschiede zwischen dem Leben in der Metropolregion und der zweitgrößten Stadt Schwedens. Warum mir der Umzug nach Göteborg ganz neue Seiten an mir gezeigt hat und wieso auch du vielleicht den Schritt in ein neues Leben wagen solltest, liest du hier.
Zuhause ist’s am schönsten?
Ich bin ein Ruhrpottkind durch und durch. Ich liebe es, dass sämtliche anderen Städte nur eine kurze Bahnfahrt entfernt sind. Ich liebe Industriekultur, volle Innenstädte und die direkte Art der Menschen. Ich liebe, dass immer etwas los ist. Landleben? Für manche ist das vielleicht ein Traum, aber für mich ist das ja eher nichts. Es ist nicht so, dass ich nicht gerne in der Natur bin! Das Ruhrgebiet besteht ja schließlich auch nicht nur aus Bahnhöfen und verbauten Wohnblöcken. Aber trotzdem war klar: Für mein Auslandssemester soll es mal was anderes sein, aber ich möchte mich dann doch nicht ganz vom Stadtleben trennen. Und doch war es plötzlich ganz komisch, als ich nach Göteborg gezogen bin.
Stadtleben zwischen Meer, Seen und Wäldern
So anders kann es ja nicht sein. Göteborg ist schließlich die zweitgrößte Stadt Schwedens. Tatsächlich bietet Göteborg alles, was man sich wünschen kann: Eine belebte Innenstadt mit Cafés, Restaurants, Geschäften und jeder Menge Kultur. Trotz Corona gibt es unendlich viel zu entdecken, Langeweile habe ich also auf gar keinen Fall. Das Beste: Die gesamte Innenstadt ist gut zu Fuß zu erkunden. Wer es mal etwas eiliger hat, kann sich für wenig Geld ein Fahrrad mieten oder das sehr gute Straßenbahnnetz nutzen.
Was mich aber wirklich am meisten überrascht hat, ist die Nähe zur Natur. Göteborg ist eine Hafenstadt, man ist also direkt am Meer. Die Schäreninseln sind nur ein Katzensprung entfernt (und übrigens auch sehr gut mit den öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar). Vor Wäldern, Parks und Seen kann man sich gar nicht retten. Ich bin jetzt bereits drei Monate hier und habe noch lange nicht alle gesehen!
Die Schäreninseln
Falls du dich irgendwann mal in Westschweden befinden solltest, lohnt sich ein Abstecher in Göteborgs Archipelago. Dabei unterscheidet man zwischen den nördlichen und den südlichen Inseln. Hönö, Björkö und Fotö im Norden bieten felsige Natur, kilometerlange Wanderwege, wunderschöne Sonnenuntergänge und kleine Fischerdorfidylle. Im Sommer sollte man auf jeden Fall schwimmen gehen, das Fischermuseum besuchen (derzeit wegen Corona geschlossen) und frischen, lokalen Fisch essen. Die südlichen Schäreninseln bestehen aus vielen kleinen, autofreien Inseln, die mit der Fähre gut von Göteborg zu erreichen sind. Brännö, Styrsö und Köpstadsö sind einen Tagesausflug mit Picknick auf jeden Fall Wert.
Die Stadtparks
Aber nicht nur außerhalb der Stadt besticht Göteborg mit wunderschöner Natur: Auch im Stadtzentrum gibt es viele Parks und Gärten. Trägårdsföreningen ist ein gepflegter Park direkt am Hauptbahnhof, der nicht nur verschiedene mediterrane Blumen und Pflanzen beherbergt, sondern auch das bewundernswerte Palmenhaus. Slottsskogen, einer der größten Parks der Stadt, hat schon fast Central-Park-Charakter und bietet neben kleinen Seen auch einen kleinen Wildpark, in dem man Elche und Gotland Ponys besuchen kann. Hisingsparken, Kungsparken und Keillers Park sind auch in der Nähe.
Wandern statt S1
Statt am Wochenende jetzt also mit der S-Bahn in die nächste Stadt zu fahren, geht es raus zum Wandern. Das ist einerseits Corona geschuldet, andererseits aber auch einfach eine tolle Gelegenheit, das Göteborger Umland zu entdecken und eine Bildschirmpause einzulegen. Die Gegend um die zwei Seen Stora und Lilla Delsjön ist ein Naturreservat, das nicht nur Wald, sondern auch Strand und Klippen bietet. Nach einem Wander- oder Mountainbikeausflug kann man an den Seen Volleyball spielen, grillen oder auch Kanu fahren. Ich hoffe, vor meiner Abfahrt im Juni kriege ich noch genug sonniges Wetter ab. Bisher bin ich auf den Seen gelaufen, als sie zugefroren waren.
Vom Stadtkind zum Landei?
So sehr ich die Umgebung Göteborg lieben gelernt habe, bin ich im Herzen natürlich immer noch ein Stadtkind. Aber – und das hat mich wirklich überrascht – habe ich die Natur Schwedens oder vielleicht sogar vielmehr die Naturverbundenheit der Schwed:innen, zu schätzen gelernt. Die Erreichbarkeit der vielfältigen Naturreservate und Ausflugsziele begeistern mich und haben auf jeden Fall dafür gesorgt, dass mir wandern sogar inzwischen ein bisschen Spaß macht. Ein Auslandssemester ist so oder so horizonterweiternd. Dass das infrastrukturelle Umfeld jedoch so einen großen Einfluss auf meine Lebenseinstellung hat, hätte ich nicht gedacht. Also – warum wagst du nicht auch den Schritt auf’s Land oder vice versa?