1. Dezember 2021
Wie ist es eigentlich, an einer privaten Uni in der Hauptstadt Costa Ricas zu studieren? Was für Kurse belege ich als Geographin und wie sind sie inhaltlich gestaltet? Unterscheidet sich der Workload sehr von dem, was ich von zu Hause kenne? Und was macht man so an den Wochenenden? Diese Fragen beantworte ich in diesem Beitrag und es gibt noch ein paar Organisationstricks oben drauf.
Über die Uni und das Austausch-Programm
Die Universidad Veritas ist eine kleine private Universität mitten in San José. Eigentlich ist sie für ihren Schwerpunkt auf Architektur, Design und Mode bekannt, doch sie hat auch ein sehr gutes Study-Abroad-Programm, was sich unter anderem auf Sustainability Studies und Environmental Sciences fokussiert. Die Zielgruppe dafür sind tatsächlich vor allem US-Amerikaner*innen, was ich erst nach meiner Ankunft hier bemerkt hatte. Die Kurse sind meistens auf Englisch, man kann aber auch spanische Kurse belegen, wenn man entsprechende Sprachkenntnisse nachweist. Normalerweise sind wohl pro Semester über hundert ausländische Studis da, was für die Größe der Uni recht viel ist, im Moment sind wir aber weniger, wegen Covid. Viele sind über Organisationen hier, die einem bei der Planung eines Auslandssemesters helfen, aber es gibt auch ein paar wie mich, die es alles komplett selbst organisiert haben. Man zahlt im Übrigen neben einer Bewerbungsgebühr auch Studiengebühren, die pro Kurs berechnet werden und ein wenig schwanken, je nach Umfang des Kurses. Diese sind auch alle auf der Website zu finden und generell sind die Ansprechpartner*innen der Uni sehr hilfreich und stehen einem bei Nachfragen sehr gerne zur Verfügung. So habe ich zum Beispiel schon bei der ersten Recherche, die Syllabi der Kurse zur Verfügung gestellt bekommen, an denen ich interessiert war.
Meine Kurse
Apropos Kurse: Welche belege ich hier eigentlich? Da ich ja in Deutschland Geographie studiere, boten sich Kurse aus dem Bereich Environmental Science an. Alle meine Kurse bestehen aus zwei mal zwei Stunden (Präsenz-)Unterricht pro Woche.
Costa Rican Environmental Policy
Hier lernen wir zu dritt(!) alles über Costa Ricas Umweltschutzstrategien und Policies, und vergleichen diese mit denen aus Deutschland, den USA und anderen Ländern. Der Kurs ist mein inhaltlich anspruchsvollster, aber die Dozentin ist ehrlich an unseren Lernerfolgen interessiert und hält sich nicht viel mit formalen Vorgaben oder ähnlichem auf. Wenn sie merkt, dass man mit Interesse und Spaß an einem Assignment gearbeitet hat, bekommt man auf jeden Fall eine gute Note. Sie schafft es auf jeden Fall sehr gut, unterschiedliche Wissensstände in die Diskussionen zu integrieren. Häufig lesen wir zur Vorbereitung Texte oder machen eine kleine Hausaufgabe. Außerdem gab es einen Field Trip und zwar zu einer kleinen Farm, die versucht, möglichst nach ökologischen Prinzipien zu arbeiten und Education Programs anbietet. Ich kann mir den Kurs als freien Wahlpflichtbereich anrechenn lassen.
Tropical Botany: Useful Plants
Auch dieser Kurs wird mir im Freien Wahlpflichtbereich angerechnet und ist eindeutig der arbeitsintensivste Kurs. Zum Thema Botanik gehört eine ganze Stange Biologie und mein Wissen im Bereich Fortpflanzungsbiologie, Genetik und Nomenklatur ist mittlerweile definitiv aufgefrischt. Besonders cool an dem Kurs sind die Labor-Sessions, in denen wir im Feld gesammelte Spezies im wahrsten Sinne des Wortes „unter die Lupe“ nehmen und Mikroskop-Samples vorbereiten. Das habe ich seit meinem Bio-LK nicht mehr gemacht und es macht mir immer noch sehr viel Spaß! Außerdem gab es zwei Field Trips, bei denen wir nicht nur etwas über Schokolade und Kakao gelernt haben, sondern auch unglaublich viele faszinierende Pflanzen in der freien Natur beobachten konnten. Etwas schade an dem Kurs ist, dass viele der Assignments eher „Fleißarbeit“ sind und mit wirklicher Recherche oder wissenschaftlichem Arbeiten im Sinne einer Hausarbeit nicht viel zu tun haben. Dadurch, dass ich auch diesen Kurs nur halb angerechnet bekomme, sinkt meine Motivation dafür natürlich etwas. Die größte Abgabe hier ist aber tatsächlich ziemlich spannend, und zwar sollen wir in Eigenregie ein „Produkt“ aus/mithilfe einer tropischen Pflanze herstellen. Ich habe mich dafür entschieden mit Kurkuma Baumwollstoff zu färben und hoffentlich, wenn alles gut geht, am Ende ein schön gebatiktes T-Shirt zu haben.
Tropical Ecology
Das war der Kurs, den ich als allererstes bei meiner Recherche auf dem Schirm hatte und er wird mir tatsächlich als Vertiefungsmodul mit 8 Leistungspunkten angerechnet. Leider ist er etwas hinter meinen Erwartungen zurückgeblieben, denn er ist vom Niveau deutlich einfacher, als ich dachte. Wir besprechen sehr häufig Konzepte, die man in Deutschland in der Oberstufe durchnimmt, das Interessante sind aber natürlich die tropenspezifischen Perspektiven und Beispiele. Der Dozent ist tatsächlich aktiver Forscher im Bereich der Froschpopulationen Costa Ricas und die Stories aus dem Feld sind natürlich spannend. Auch der Field Trip war beeindruckend, so viele Frösche und andere Kleintiere habe ich noch nie in der freien Wildbahn gesehen!
Ecological Photography
Definitiv mein Lieblingskurs. Die Dozentin ist eine coole Socke und von technischen Basics der Fotografie, über coole Kameratricks bis zu ethisch-philosophischen Diskussionen über die Rolle von Fotos im Naturschutz, ist hier alles dabei. Viele Kursstunden verbringen wir nicht im Kursraum, sondern draußen, und wenden das Erlernte direkt an. Hier lerne ich im Moment am meisten und ich bin sehr dankbar, dass ich das Ganze tatsächlich als Methodenseminar für 8 Leistungspunkte angerechnet bekomme.
Das Semester
Die zeitliche Aufteilung des akademischen Jahres funktioniert hier ein wenig anders. Wer sein Auslandssemester, wie ich im deutschen Wintersemester machen möchte, kommt für die „Fall Period“, die je nachdem ob man 12- oder 16-Wochen-Kurse belegt (unbedingt vorher nachfragen!), Ende August oder Ende September beginnt und Mitte Dezember endet. Die anderen Semesterzeiten kann man auf der Veritas-Website nachlesen.
Mit dem Beginn der Veranstaltungen gab es bei mir ja Verwirrung, weil mir nicht klar war, dass es diese Unterscheidung gibt. Auf manchen Dokumenten stand der 26.8. als Beginn und auf anderen der 27.9. und erst als ich am 24.8. hier ankam, wurde klar, dass ich nur 12-Wochen-Kurse habe. So hatte ich plötzlich noch einen Monat Freizeit. Darüber will ich mich aber nicht beschweren, denn so konnte ich noch sehr viel vom Land sehen und mich in Ruhe eingewöhnen. Das war auch nötig, denn sobald das Semester losgeht, hat man plötzlich nicht mehr so viel Zeit.
Der Workload
Vorneweg: ich studiere B. Sc. Geographie in Bonn. Und geographische Studiengänge im Allgemeinen sind weder für ihren Leistungsdruck, noch für den immensen Arbeitsaufwand bekannt. Daher ist meine Perspektive darauf, was „viel“ und was „wenig“ zu tun ist, vielleicht anders als die von jemanden, der oder die Pharmazie, Medizin oder Jura studiert.
Da das jetzt aus dem Weg ist, kann ich es ja raushauen: So viel wie hier habe ich in meinem gesamten bisherigem Studium nicht für die Uni getan. Normalerweise belege ich zwei bis vier Kurse von zwei bis vier Semesterwochenstunden, in jedem der Kurse schreibt man eine Hausarbeit, macht eine Präsentation und dazu kommen noch vorbereitende Leseinhalte oder ähnliches. Ab und an habe ich eine Vorlesung, an deren Ende eine Klausur steht, oder eine große Projektarbeit inklusive eigener Forschung steht an.
Hier hingegen gibt es pro Kurs mindestens fünf bis zehn benotete Assignments, die am Ende die Gesamtnote ausmachen. Das können Präsentationen, Essays, Gruppenarbeiten, Videos, Laborberichte, Exkursionsberichte oder ähnliches sein. Dazu kommen noch kleine unbenotete Hausaufgaben, hier mal einen Text lesen, dort eine kleine Recherche machen. Dadurch, dass ich ja an sechs von meinen insgesamt zwölf Wochenenden auf einem Field Trip bin, staut sich also unter der Woche einiges an Arbeit. Eigentlich wollte ich ja noch eigenständig Spanisch-Lektionen machen, das musste ich aber leider aufgeben, einfach weil es zu viel wäre sonst.
Interessanterweise empfinden viele der US-amerikanischen Studierenden den Workload als angenehmer als bei sich zu Hause. Dort muss es wohl noch viel schlimmer sein, und man verbringt je nach Studienfach wirklich jede freie Minute entweder im Kurs, beim Lernen, Essen oder Schlafen.
Mit so viel zu tun kommt natürlich die Frage auf – wie organisiert man das alles?
Organisationstipps
Von der Uni aus läuft die Organisation der Kursinhalte und Abgaben vornehmlich über die Plattform Canvas. Die wird wohl auch in den USA benutzt und dort findet man alle Kursunterlagen, Modulinhalte, Texte aber auch die Beschreibungen der Assignments, die Bewertungsgrundlagen und alle Abgabedaten (sofern die Dozenten sie denn eintragen) sowie die Noten und das Feedback. Man kommt wahrscheinlich auch schon alleine damit ganz gut zurecht, da es auch hier eine Kalender- und Reminderfunktion gibt. Ich nutze allerdings zusätzlich Notion, um meine Sachen zu organisieren, grundsätzlich würde aber vermutlich auch Excel oder ein digitaler Kalender gehen.
Tipps und Tricks
- Trage dir ganz am Anfang (bzw. sobald du sie weißt) die Deadlines aller deiner Abgaben ein. So vergisst du nichts!
- Schau dir einmal in der Woche an, was in der nächsten Zeit auf dich zukommt, damit du nicht von dem großen Projekt am Ende überrascht wirst.
- Arbeite unbedingt mit Checklisten oder „Done“-Stickern, um deine Erfolge sichtbar zu machen. Das motiviert!
- Gestalte deine Organisationsplattform farbig oder sonst irgendwie so, dass es dir Spaß macht, sie anzuschauen.
Die Covid-Regelungen
Als letztes noch ein kurzes Wort zu den Covid-Regeln hier an der Uni. Impfstatus wird (Stand jetzt) nicht abgefragt, dafür herrscht Maskenpflicht im gesamten Campus (auch draußen). Die Field Trips werden auch mit Maske durchgeführt, jedenfalls sobald man sich in geschlossenen Räumen aufhält. Ansonsten wird viel Wert auf Handhygiene gelegt, und vor dem Betreten der Gebäude muss man kurz die Hand vor ein Thermometer halten.
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