9. Juli 2019
„Ich mach mir die Welt, widdewidde wie sie mir gefällt…“, lautet ein bisschen das Motto der Professoren in Buenos Aires, weshalb man vorher nie so genau weiß, was einen eigentlich erwartet. Meine kuriosesten Prüfungserfahrungen findet ihr hier.
Parciales
Hier gibt es bei fast allen Modulen Zwischenprüfungen im Semester, die sogenannten Parciales, die man bestehen muss um am Ende die Abschlussprüfungen (Finales) schreiben darf. Wie viele Parciales es gibt, ob sie mit in die Note zählen und wie sie bewertet werden ist von Prof zu Prof unterschiedlich. Auch gibt es oft TP´s (trabajos practicos), das sind kleine Hausarbeiten oder Aufgaben die man alle paar Wochen abgeben muss. Auf den Terminplan, den man manchmal am Anfang bekommt, kann man sich hier aber nicht so wirklich verlassen. Da kann es schonmal passieren, dass der Prof einfach sagt, nächste Woche müsst ihr das und das abgeben, was eigentlich erst in zwei Wochen fällig wäre… Und auch mein Termin für mein eines Final wurde auch kurzerhand mal eine Woche nach hinten verschoben, so dass ich da jetzt schon nicht mehr in Buenos Aires bin…
Manche Module kann man promovieren, das heißt wenn man seine Parciales sehr gut abschließt, muss man kein Final mehr schreiben.
Notensystem
Die Noten gehen von 1 bis 10, wobei 10 das beste Ergebnis ist und man ab einer 4 besteht. Klingt erstmal einfach machbar, aber eine 4 bekommt man erst ab 60%. Generell werden die Noten hier aber nicht wie in Deutschland akribisch berechnet, sondern sehr stark pi mal Daumen. Auf zurückgegeben Tests findet man weder Teilpunkte oder Folgefehler, noch eine Aufteilung, welche Aufgabe wie viel gewertet wird und schon gar nicht ist zu erkennen, wie viele Punkte man wo erreicht hat, oder was man noch hätte schreiben müssen. Also begnügt man sich mit ein paar Haken und Kreuzen und einer Endnote, die anscheinend aus dem Himmel fällt. Der Professor kann auch die Regeln zum Bestehen festlegen, in einem Parcial zum Beispiel wurde, bevor wir angefangen haben angekündigt, dass man zwei von drei Aufgaben richtig haben muss, um zu bestehen.
Finales
Für seine Abschlussprüfung (Finales) hat man drei Versuche. Da es aber in jedem Modul fünf Termine gibt, an denen man die Finales schreiben kann, muss man nicht wie in Deutschland ein halbes oder ganzes Jahr warten, wenn man durchfällt. Auch wenn man dreimal durchfällt, ist man nicht wie in Deutschland aus dem ganzen Studium raus, sondern versucht es im nächstem Semester einfach erneut, weshalb die Argentinier auch alle viel entspannter in den ersten Versuch gehen, nach dem Motto „ich probier’s halt heute mal“.
Die Finales können schriftlich, mündlich oder auch eine Mischung sein, ich wusste, bis ich bei meinem einem Final war vorher überhaupt nicht, wie die Prüfung aussehen wird. Das Prüfungsformat hängt auch davon ab, wie viele sich zum jeweiligem Termin anmelden. Im Endeffekt war es dann die seltsamste Klausur, die ich je geschrieben habe, weshalb ich euch einfach mal erzählen muss, wie das so ablief.
Klausurtermin: 19 Uhr im Keller der Uni
Wir haben, natürlich wie immer hier zehnMinuten zu spät, mit circa 15 Leuten den Raum betreten und jeder wurde erstmal gefragt, ob er denn wegen des Finals oder dem Wiederholungsversuch des Parcials da ist. Jeder hat dann die passende Klausur bekommen und diejenigen, die das Parcial geschrieben haben, konnten anfangen, zu rechnen. Da gab es kein Startsignal und keine Stoppuhr, jeder fängt einfach an und wenn man fertig ist, ist man fertig, oder eben wenn der Prof sagt, dass jetzt die Zeit langsam vorbei ist.
Dann wurde uns kurz erklärt, wie das Final abläuft und nach dreimal nachfragen habe ich dann auch verstanden, dass wir erstmal nur die erste von den fünf Aufgaben machen sollen (Zeitvorgabe circa eine halbe Stunde), unsere Lösung dann abgeben sollen und wenn wir die Aufgabe richtig gelöst haben, dürfen wir weitermachen. Jeder hat also, sobald er fertig war, seine Klausur abgegeben und dann erstmal gewartet. Ein Kommilitone, der früher fertig war, hat sich zum Beispiel erstmal einen Kaffee geholt. Der Prof hat die Aufgaben von allen einmal kurz überflogen und vor sich gelegt, dann haben wir uns alle im Halbkreis vor der Tafel versammelt und erstmal die erste Aufgabe besprochen, wobei der Prof den Lösungsweg nochmal an der Tafel erklärt hat und im Anschluss Fragen in die Runde gestellt hat.
Diejenigen, die das Parcial geschrieben haben, saßen dabei übrigens weiter im Raum und haben weitergerechnet. Ich habe mich ein bisschen wie in einer mündlichen Gruppenprüfung gefühlt und meine Taktik war, lieber mal gar nichts zu sagen, sondern immer nur zustimmend zu nicken. Hat funktioniert, wir durften danach alle erstmal weiterschreiben, auch wenn die meisten (inklusive mir) den falschen Ansatz für die Aufgabe gewählt hatten. Nach zwei Minuten hat der Prof dann scheinbar zufällig vier Namen aufgerufen, die daraufhin die Aufgabe fünf bearbeiten sollten, die restlichen haben mit Aufgabe zwei und drei weitergemacht. Wozu Aufgabe vier eigentlich existiert hat, frage ich mich bis heute… Jedenfalls hieß es für mich erstmal wieder Aufgabe zwei bearbeiten, abgeben, wieder warten und nachdem der Prof erneut das OK gegeben hat, durfte ich mit Aufgabe drei weitermachen.
Zeitangaben gab es nicht, der Prof hat mich einfach zwischendurch mal gefragt, ob ich langsam mit Aufgabe zwei fertig wäre. Am Ende bin ich dann nach vorne und habe ihm meine letzte Aufgabe gegeben und er hat mir erstmal noch den Lösungsweg vorgerechnet, dann meine zugegebenermaßen unvollständige und chaotische Lösung überflogen, meine restlichen Aufgaben zusammengesucht, einmal drüber geguckt, zwei drei Häkchen verteilt und an zwei Stellen mal kurz etwas angemerkt und dann eine 6 auf meine Klausur geschrieben und unterschrieben. Woher die Note jetzt kam, ob mein Parcial da mit rein gezählt hat, oder ob er sogar einfach die Note von meinem Parcial übernommen hat weiß ich nicht, Punkte zusammengezählt hat er auf jeden Fall nicht.
Ich bin jedenfalls mit meiner bestandenen Klausur und völlig durchgefroren (die Räume in der Uni sind nicht beheizt und die Maschinenbaukurse finden auch noch im Keller statt) so schnell ich konnte aus dem Raum, bevor der Prof es sich nochmal anders überlegt.