25. Mai 2021
Wie die Zeit vergeht! Vor etwas mehr als vier Monaten starteten meine ersten Kurse in Schweden und jetzt bin ich in meiner letzten Klausurenphase. Ein Semester, in dem ich viel gelernt habe. Ich blicke zurück auf die Unterschiede zwischen der Uni Göteborg und der Ruhr-Uni Bochum – erzähle, warum ich mal gefordert wurde und mal nicht und ziehe Bilanz in puncto Erfahrung mit dem schwedischen Unisystem.
Wie funktioniert das nochmal mit den Kursen in Schweden?
In Schweden sieht das Semester anders aus als in Deutschland. Hier geht das Semester von Mitte Januar bis Anfang Juni und ist in vier Quartale unterteilt. Ein voller Workload bedeutet hier: 30 Credit Points pro Semester zu erreichen. Am Anfang war ich davon etwas eingeschüchtert, aber ich habe schnell gelernt, dass dieser Workload wirklich gut zu meistern war. Spoiler: Ich habe hier tatsächlich weniger für die Uni machen müssen als zu Hause. Tatsächlich habe ich nebenbei auch weiter ein paar Kurse an meiner Heimatuni belegt – Onlinelehre sei Dank.
In Göteborg habe ich vier Kurse belegt, zwei davon über die Quartale Eins und Zwei verteilt, die anderen zwei folgten Ende März dann für die Quartale Drei und Vier. Die Kurse gehörten zum Kurspaket „Perspectives on Scandinavian Cultures“. Meine Kurse fanden auf Englisch und übrigens im Endeffekt fast ausschließlich online statt – dazu später mehr.
Meine Kurse
Meine ersten beiden Kurse „Scandinavian Design“ und „Scandinavian Film and Media Culture“ waren im Nachhinein auf jeden Fall meine Lieblingskurse. Beide Kurse bestanden jeweils aus einem wöchentlichen Zoom-Meeting sowie jeder Menge Lektüre, die man sich selbst aneignen musste. Im Film und Media Kurs hatten wir außerdem die Möglichkeit, alle zwei Wochen eine Filmsichtung in der Uni zu besuchen, was eine schöne Abwechslung zu den Online-Seminaren war. Es war immer mein Highlight der Woche, mal vom Schreibtisch wegzukommen und in die Uni zu gehen. Im Rahmen des Design-Kurses hätten wir ohne Corona noch einige Museumsausflüge auf dem Lehrplan gehabt, die durch Onlinebesichtigungen der Museen ersetzt wurden. Die Besuche habe ich inzwischen privat nachgeholt, weil im Mai die Museen in Göteborg wieder geöffnet haben. Grundsätzlich war der Zeitaufwand für die Kurse wirklich sehr überschaubar. Beendet wurden die Kurse mit „Take-Home-Exams“, in denen wir innerhalb von ein bis zwei Wochen Essay-Fragen auf circa sechs Seiten beantworten mussten.
Aktuell befinde ich mich am Ende des Semesters und schreibe gerade meine Take-Home-Exams für die Kurse der zweiten Hälfte. Belegt habe ich „Cultural Perspectives on Gender and Family“ und „Religion in Scandinavia”. Insbesondere der Religionskurs ist eher außerhalb meines Interessengebiets und ist mir dementsprechend etwas schwerer gefallen, aber grundsätzlich sind die Dozierenden sehr bemüht, ihre Kurse auch für Fachfremde interessant zu gestalten. Schließlich war das interdisziplinäre Kurspaket extra für Fachfremde und Austauschstudierende gedacht, die verschiedene Perspektiven auf die skandinavische Kultur sehen möchten.
Über Vorlesungen zu zehnt und vom Lesen, Lesen, Lesen…
Der größte Unterschied zwischen der Uni in Schweden und der deutschen Uni ist wohl die Gruppengröße in den Seminaren oder Vorlesungen. In keinem meiner Kurse waren mehr als 15 Kommiliton/innen, was die Arbeitsatmosphäre (auch online) recht angenehm gemacht hat. Auch die Dozierenden lehren auf Augenhöhe und es herrscht ein eher freundschaftliches Verhältnis. Man spricht die Dozierende übrigens auch mit Vornamen an, was ich aus Deutschland bisher eher nicht kannte.
Typisch schwedisch war die Gelassenheit der Dozierenden. So gut wie alle Seminare, Lektüren oder Assignments in den Kursen waren freiwillig oder konnten auf Anfrage verschoben werden. Ich persönlich liebe Organisation und mir hat bei dem gegeben Freiraum etwas die Struktur gefehlt. Die intensive Auseinandersetzung mit den Themen in der Gruppe war nicht so leicht, weil viele die Texte (noch) nicht gelesen hatten. In allen Kursen hatte ich nur zwei Stunden Kurs pro Woche und den Rest des Stoffes sollte man sich selbst anlesen, das waren dann aber auch oft mal 150-200 Seiten pro Woche. Didaktisch hätte ich mir da bei Kursen mit einem Umfang von siebeneinhalb Credit Points etwas mehr erwartet. Ich vermute jedoch, dass dies vor allem der Onlinelehre geschuldet ist. Über die Lehre in Präsenz habe ich nämlich viel Besseres gehört. Viele meiner Freunde und Freundinnen hier haben auch etwas bessere Erfahrungen mit ihren Kursen gemacht, ich kann also nur für mich sprechen. Letztendlich ist das natürlich auch Geschmackssache. Man konnte sich quasi aussuchen, wie intensiv man sich mit den Themen auseinandersetzen möchte und das gesamte Semester lief für mich sehr stressfrei und ohne Druck. Wer an deutschen Unis schon mal Klausurphasen erlebt hat, weiß sicherlich, dass diese durchaus stressig werden können.
Und jetzt?
Nichtsdestotrotz hat mir das Semester hier wirklich sehr gut gefallen. Die Themen waren für mich größtenteils neu und ich habe viele Einblicke in andere Fachbereiche bekommen. Skandinavien im Alltag, aber auch im Hochschulkontext näher kennenzulernen war eine besonders tolle Erfahrung. Ich hatte außerdem die Möglichkeit, trotz der aktuellen Lage in der Uni zu lernen, wofür ich sehr dankbar bin. Zu Hause kann ich mir alle Kurse für mein Studium anrechnen lassen. Lediglich für einen Kurs muss ich zur Anrechnung eine Hausarbeit in Bochum schreiben. Danach geht es los mit der Bachelorarbeit. Ich bin in jedem Fall dankbar für die Unierfahrung hier und kann nur jedem empfehlen, auch trotz Onlinelehre, mal in ein anderes System zu schnuppern.