8. März 2016
Merkels Flüchtlingspolitik ist circa 15 Minuten entfernt. Nur ein paar Metrostationen weiter, einmal umsteigen und ein Stück zu Fuß liegt „Aksaray“, ein Knotenpunkt der Flüchtlingsrouten. Ich gehe aus Neugierde dahin, andere aus Hoffnung, aus Angst, aus Gier oder Geschäftssinn. Aksaray ist der Ort in Istanbul, an dem sich Schmuggler und Flüchtlinge treffen. Ein rauer Ort. Ungemütlich.
Etliche Reisebusse stehen an verschiedenen Ecken des riesigen Platzes. Die meisten mit arabischen Aufschriften, die meisten mit aufgeregten Menschenmassen davor. Geldscheine wechseln von Hand zu Hand. Es ist laut, es riecht nach Abgasen, Fäkalien und Bratenfett. Eine mehrspurige Straße führt um Aksaray herum.
Mir fällt die Menge an Männern auf, die offenbar einfach untätig herumstehen. Alle scheinen auf etwas oder irgendwen zu warten. Viele sitzen auf ihren abgewetzten Tragetaschen, vollgestopft mit Kleidung. Einige schlafen sogar auf dem dürren Rasenstück. Auf einem bunten Klettergerüst spielen Kinder. Wer Flüchtling ist, wer Schmuggler und wer einfach nur zufällig vor Ort ist, kann ich nicht sagen.
Über „Aksaray“ gibt es massenhaft Reportagen und journalistische Berichte im Netz. Von Syrien führt die Flüchtlingsroute direkt nach Istanbul oder Izmir im Süden und weiter über die türkische Grenze nach Griechenland oder Südosteuropa. Aksaray ist dabei ein Knotenpunkt, ein Netzwerk. Alleine kommt niemand weiter.
Schmuggler verdienen hier gutes Geld. In arabisch-sprachigen Facebook-Gruppen werden Preise um die 2000 US-Dollar pro Person gehandelt.
Aber nicht nur die „Human traffickers“ verdienen an den Flüchtlingen. Mich überrascht, was für eine regelrechte Flüchtlings-Industrie sich um Aksaray aufgebaut hat. Fliegende Händler mit mobilen Bauchläden bieten Handy-Aufladestation an – vom iPhone-Ladekabel bis zum uralten Nokia3310-Stecker ist alles dabei. Wechselstuben zeigen mit Leuchtreklamen die aktuellen Kurse an. Unmengen von Geschäften verkaufen schwere Rucksäcke oder Second-Hand-Koffer. Andere haben sogar signalrote „Life-Jackets“ und Rettungsringe im Angebot. Ein Muss auf der lebensgefährlichen Überfahrt zu den griechischen Inseln.
Istanbul ist eine Metropole der Gegensätzlichkeiten. Straßenbettler und Superreiche. Basare und Shopping-Center. Kopftücher und Belly-Dancers. Und eben auch: Erasmus-Reisende und Bürgerkriegs-Flüchtlinge. In Aksaray.