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Unter Sternen: Camping im Naturpark Arrábida in Portugal


Ein Wochenende im Nationalpark Serra da Arrábida: Lagerfeuer am Strand, schlafen unter Sternen und klettern über dem Meer. Und das alles nur 30 Minuten von Lissabon entfernt.

Der Nationalpark Serra da Arrábida

Es ist einer dieser Tage, die sich unecht anfühlen, weil sie ungeplant sind. So spontan, dass mein Gehirn nicht realisiert, dass ich wirklich dort bin und nicht noch Zuhause im Bett – als ich Samstagmorgens müde von einer zu kurzen Nacht am Praca de Espanha stehe. Raus in die Natur soll es gehen, mit Leuten aus der Slackline-Gruppe: Francesca aus Italien, Wim aus Belgien, Diogo aus Portugal und Marcos aus Brasilien. Dieses Mal wollen wir nicht Slacklinen, sondern klettern, die Sterne sehen, am Feuer sitzen und am Strand schlafen. Bald sitzen wir alle in Diogos kleinem Auto mit reichlich Proviant und fahren Richtung Süden. Über die Brücke, an der Costa Caparica vorbei und weiter Richtung Nationalpark Serra da Arrábida. Der Park erstreckt sich auf einer Fläche von 110 Quadratkilometern zwischen den Orten Sesimbra und Setubal. Mit dem Autor erreicht man ihn in ca. 30 Minuten von Lissabon aus. Im Gegensatz zum Nationalpark Serra da Sintra ist er nicht besonders touristisch. Der Park umfasst üppige, grün bewachsene Hügel, weiße Sandstrände und steil abfallende Klippen. Die Landschaft dort ist gebirgig und ideal zum Klettern.

Das Auto parkt bald an einer Bucht am Straßenrand und ein paar Meter weiter ist die Sicht atemberaubend schön. Die Klippen fallen steil ab und geben den Blick über die portugiesische Küstenregion Costa Azul und den Atlantischen Ozean frei. Wir laufen einen kleinen steilen Weg abwärts über Felsen und durch grüne Büsche, bis wir in einer engen Schlucht ankommen, die von steilen Felswänden gerahmt ist. Dort gibt es Kletterrouten aller Schwierigkeitsgrade und einige Kletterer sind schon unterwegs. Der Tag ist warm, es sind über 20 Grad und die Sonne brennt. Die Kühle in der Schlucht ist angenehm und wirft schöne Schatten an die Wände. Ich klettere eine einfache Route, die Spaß macht. Klettern erinnert mich immer an meine Kindheit, an felsige Wanderwege und Kletterbäume. Ich glaube, Klettern könnte hier zu meinem neuen Hobby werden.

Eine Nacht am Praia do Creiro

Unser nächster Stopp ist der Strand, der nicht weit entfernt ist. Der Praia do Creiro liegt an der portugiesischen Costa Azul und soll einer der schönsten Küstenabschnitten des Landes sein. Es ist Sonntag und noch einiges los, als wir ankommen. Als erstes fällt mir der Sand auf, der fast weiß scheint. Er ist auch etwas grobkörniger als gewöhnlicher Sand. Das Meer ist ruhig und hat eine schöne türkise Farbe. Der Strand ist voller Steine, schöner glatter Steine und ab und zu ragen Felsen aus dem Sand. Und dann fallen mir die Wildschweine auf. Eine Wildschweinfamilie hat sich unter die Menschen gemischt und sucht am Strand nach Essen. Die Wildschweine scheinen einigermaßen friedlich zu sein und an Menschen gewöhnt. Wir schlagen unser Lager in der Nähe der Wildschweine auf, unter zwei Bäumen, die aus dem Strand wachsen. Irgendwann kommt eins der Wildschweine sehr nah an meine Tasche und rennt mit meiner Flasche im Maul davon. Wir alle hinterher, „Javali“ (Wildschwein), „Javali“ (eins der portugiesischen Worte, die ich an diesem Wochenende gelernt habe) – aber das Wildschwein ist schneller. Die Flasche sehe ich nicht mehr wieder.

Den Rest des Tages entspannen wir am Meer. Nach und nach verlassen die Menschen den Strand und glücklicherweise verschwinden mit ihnen auch die Wildschweine. Irgendwann sind wir ganz allein und ich fühle mich ein bisschen wie gestrandet auf einer verlassenen wunderschönen Insel. Ich baue mein Zelt auf, die anderen schlafen in der Hängematte oder direkt am Strand. Wild zu campen ist in Portugal übrigens offiziell nicht erlaubt, wird aber oft geduldet, solange man sich ruhig verhält und am nächsten Morgen seinen Platz so verlässt, als wäre man nie da gewesen. Wir machen auch noch ein Feuer an einer der zwei angelegte Feuerstellen. Wir sitzen noch lang am Feuer und essen, reden und hören leise Musik. Ich werde  immer müder und schlüpfe etwas in die Beobachterrolle. Es hat was von einer großen Geborgenheit, mit anderen Menschen ums Feuer zu sitzen, finde ich. Wenn man ein paar Schritte vom Feuer an den Strand läuft, steht man plötzlich unter dem schönsten Sternenhimmel, den ich seit langem gesehen habe. Immer wieder laufe ich an den Strand, um mich für ein paar Minuten in den Sand zu legen und einfach nur in die Sterne zu starren. Ich könnte stundenlang so liegen und mich verlieren. Die Gedanken driften in weite Fernen ab und sind dann wieder ganz still. Die Momente im Sand unterm Sternenhimmel fühlen sich ganz surreal an. So, als wenn sie zu einer anderen Geschichte gehören würden, als wenn ich einen Film schauen würde. Bevor wir schlafen gehen, legen wir uns alle nebeneinander in den Sand und schauen in die Sterne. Und jeder ist bei sich und trotzdem habe ich mich noch nie so verbunden gefühlt mit Menschen, die ich erst so kurz kenne, wie in diesem Moment. 

Im Zelt bin ich sehr müde, aber kann nicht schlafen. Ich liege auf zu hartem Boden und wünschte, ich hätte auch eine Hängematte und könnte schaukelnd unter den Sternen einschlafen. Außerdem macht irgendjemand komische Geräusche und der Rauch des erloschenen Feuers zieht direkt in mein Zelt. Ich quäle mich etwas durch die Stunden und überlege, ob ich mein Zelt an den Strand ziehen kann. Irgendwann nehme ich einfach meine Matte und Schlafsack und lege mich in den Sand. Die Sonne ist schon kurz vor dem Aufgehen und alles ist in ein unglaubliches Licht getaucht. Dunkelblau mit einem orangenen Streifen über dem Meer. Ich krieche in meinen Schlafsack und fühle mich direkt zehn Mal besser, als in meinem Zelt. Die Luft ist frisch und der Sand weich. Die kleinen Wellen sind beruhigend. Das nächste, was ich höre, sind ferne Stimmen und ich spüre die Wärme der Sonne auf meinem Gesicht. Als ich die Augen aufschlage, schaue ich direkt aufs Meer. Bin ich in einem meiner Träume aufgewacht? So fühle ich mich jedenfalls. Ich bleibe noch etwas in meinem Schlafsack liegen und schaue den anderen zu. Sie machen Yoga am Strand und joggen den Strand rauf und runter, um sich dann ins Meer zu stürzen. Ich bin faul und bleibe einfach in der Sonne liegen und schreibe…

Die wundervollsten Tage. Ich sitze hier im Sand und höre dem sanften Wellenrauschen zu. Heute morgen bin ich am Strand aufgewacht. Wo endet das Meer und wo beginnt der Strand? Glücklich im Körper. Manchmal will ich Momente festhalten, sie erschießen, damit sie nicht weghüpfen können. Will ganz in den Kissen versinken, will meinen Blick ans Meer festkleben. Wie kann ich ganz hier sein? Wie kann ich ganz still sein.

Klettern in Sesimbra

Den Rest des Tages fahren wir zu einen Kletterspot in der Nähe von Sesimbra. Sesimbra ist eine Kleinstadt in Portugal, die auf der Halbinsel von Setúbal liegt. Klettern kann man hier an steilen Felswänden, die ins Meer abfallen. Oben auf den Felsen hat man eine tolle weite Sicht aufs Meer, das wunderschön türkisblau ist. Hier wird ohne Sicherung geklettert, wenn man fällt, fällt man ins Wasser – das nennt sich dann Deep Water Soloing (DWS), oder auch Psicobloc.

Es sieht toll aus, wie die anderen an den Felsen über’m Meer hängen. Die Routen sind mir aber noch zu anspruchsvoll und außerdem muss man an ein paar Stellen aufpassen, die nicht direkt über dem Wasser hängen. Ich klettere deswegen nur sehr einfache Teile und entspanne den Rest der Zeit auf den Felsen und schreibe…

Jetzt sitze ich auf Felsen und gucke aufs Meer. Blaue Weiten. Felsen zum Klettern und zum Springen. Bin heute das erste Mal von einer Klippe gesprungen. Der Moment vor dem Absprung ist mein Liebster. Wenn man weiß, dass man sich gleich überwinden wird, dass es keinen Weg zurück mehr gibt und dann das Denken verschwindet und der Körper die Kontrolle übernimmt. Das Wasser war kalt. Um wieder hochzukommen musste ich ein Stück klettern. Aber dann oben in der Sonne zu liegen war unbezahlbar. 

Irgendwann fahren wir. Und stecken direkt im Stau fest. Es ist Faschingssonntag und aus Sesimbra strömen die Menschen. Kurzerhand parkt Diogo das Auto und wir laufen in die Stadt rein. Viele verkleidete Menschen strömen aus der Stadt, hier und da läuft noch Samba-Musik und der Boden ist voller Luftschlangen und Konfetti. Wir setzen uns in eine Bar, trinken sehr süßen Wein und warten, bis der Strom aus der Stadt langsam abklingt. Das mag ich so hier, die endlosen Abende, bei denen niemand sagt, ich muss jetzt aber los, morgen ist Arbeit, es ist schon zu spät. Ich liebe den Geschmack von Freiheit und Zeitlosigkeit, den diese endlosen Tage in mir hinterlassen.

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