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Urlaub auf der Autobahn

Zur Halbzeit im Semester habe ich als Studentin an der University of Technology Sydney eine Woche Osterferien. Ich stand vor der Qual der Wahl: Verbringe ich die freien Tage mit meiner Familie oder mit meinen Komiliton*innen?

Spoiler: Die Entscheidung wurde schon getroffen, bevor ich überhaupt nach Australien kam. Ob ich das bereut habe? Nein. Vielleicht ein bisschen, wenn ich nachts neben meinem 1,90 m großen Bruder im Hochbett des Campers schlafen musste. Aber alles in allem kann ich sagen: Ich würde mich immer wieder so entscheiden. Aber von vorn: Wie kam es zu dieser frühen Reiseplanung? Und lief am Ende alles so, wir wir uns das in Deutschland vorgestellt hatten?

Na ist denn schon … Ostern?

Die Planung des Familienbesuchs starteten wir bereits im Winter letzten Jahres. Nicht ganz unwichtig für diese Geschichte ist Weihnachten, beziehungsweise das Weihnachtsgeschenk für meine Mutter. Denn die Suche nach einem Geschenk obliegt mir als Schwester, seit ich denken kann. Mein Bruder verlässt sich hier voll und ganz auf mich, was mir ehrlich gesagt auch gar nicht so unrecht ist. Ich würde behaupten, ansonsten bekäme meine Mutter Jahr für Jahr einen Büchergutschein, der kurz vor knapp ausgedruckt werden würde. Aber, nicht mit mir.

Auf der Suche nach einem passenden Geschenk hatte ich Anfang Dezember eine kühne Idee: Wieso nicht ein gemeinsames Erlebnis in Sydney verschenken? Kühn war die Idee deshalb, weil meine Familie zu diesem Zeitpunkt noch nicht mal Flüge gebucht hatte. Immerhin stand aber schon fest, dass zumindest meine Mutter auf jeden Fall herfliegen würde und aufgrund ihrer Arbeit als Lehrerin auf die Osterferien angewiesen ist. Mein Geschenk, so der Plan, sollte dem Ganzen den letzten Schubs geben. So buchte ich etwas nervös vier Karten für eine Outdoor-Vorstellung der Sydney Opera. Aufführungsdatum: Der Abend vor Karfreitag, mitten in den Osterferien. Damit waren unsere gemeinsamen Reisepläne also besiegelt und zum Glück freute sich meine Mutter auch sehr über das Geschenk.

Gemeinsam mit meiner Familie besuchte ich eine Outdoor-Veranstaltung der Sydney Opera.
Unser Weihnachtsgeschenk wurde eingelöst!

Wenn aus einem Plan Realität wird

Kennt ihr das, wenn ihr Dinge super lange im Voraus geplant habt und sobald sie dann wirklich anstehen, kommt die Unsicherheit? Als mein Bruder mich im März aus Deutschland anrief, empfand ich genau so. Meine Familie hatte beschlossen, unsere gemeinsame Zeit in Australien hauptsächlich in einem Camper zu verbringen. Ob ich damit einverstanden sei, fragte er mich damals am Telefon. War ich zum Glück. Schließlich gehört so ein Campingtrip irgendwie zum Leben in Down Under dazu. Das flexible Vorankommen von A nach B und meine Neugierde, wie so ein Leben auf vier Rädern sein würde, lockten mich (die rosarote Brille über Campingtrips würde ich allerdings noch früh genug abnehmen, so viel sei gesagt). Gleichzeitig begannen aber auch meine Kommiliton:innen, ihre Ferien zu verplanen und klar, ich wäre auch hier gern dabei gewesen. Allerdings hatte ich bereits viele Wochenenden mit ihnen verbracht und die Umgebung um Sydney erkundet. Auch im Juni werde ich noch viel Zeit haben, gemeinsam mit ihnen den Kontinent zu entdecken. Statt für 10 Tage nach Tasmanien zu fliegen, fokussierte ich mich also auf den Roadtrip mit meiner Familie entlang der Ostküste. Ich war sehr gespannt, welche Route sich meine Liebsten so vorgenommen hatten.

Reisevorbereitungen? Fehlanzeige!

Doch schnell stellte sich heraus: Mit der Urlaubsplanung läuft es in meiner Familie ähnlich, wie mit dem Kauf von Weihnachtsgeschenken. Alles auf den letzten Drücker. Als meine Mutter, ihr Partner und mein Bruder hier in Sydney ankamen, war tatsächlich noch kein einziger Campingplatz gebucht. Ich war einigermaßen schockiert, denn ich zähle zur Gattung der Reiseplaner. Gut und gerne verbringe ich einen ganzen Tag mit der Planung von Routen, die ich unter Umständen irgendwann mal machen werde. Ihr braucht Hotelempfehlungen für Bali? Kein Problem, hit me up. Ich habe es bisher nie hingeschafft, aber ein Ordner dafür existiert auf meinem Laptop. Kein Witz.

Fairerweise muss ich dazusagen, dass unser Trip ohne vorherige Buchungen einer legitimen Folgerung zugrunde lag. Ursprünglich sollte uns das die Freiheit bewahren, die Strecke Richtung Byron Bay im eigenen Tempo zu erkunden. Ganz ohne Zeitdruck. Unser Plan wurde dann allerdings von einem wichtigen Anlass durchkreuzt, den wir bisher komplett ausgeblendet hatten: Ostern. Denn diese freien Tage gelten in Australien als Hauptreisezeit für Camper. Das musst du aber auch erstmal wissen. Statt also in eine Spontanreise zu starten, suchten wir am Abend vor unserer Abfahrt relativ verzweifelt nach freien Campingplätzen.

Camping ohne große Ansprüche

Ich hatte keine echte Vorstellung von einem Camperurlaub, aber das Vorhandensein eines Waschraums hatte ich mir dann doch gewünscht. Dass selbst das rund um Ostern zum scheinbar unerreichbaren Luxus werden würde, ließ mich mit recht mulmigen Gefühl in unsere Reise starten. Immerhin fanden wir zu guter Letzt doch noch einen Stellplatz für die ersten zwei Nächte. Von einem Campingplatz kann aber beim besten Willen nicht die Rede sein. Wir bezahlten im Prinzip für das Abstellen unseres Vans auf einer Wiese. Wer mit solch niedrigen Erwartungen losfährt, wird zumindest selten enttäuscht. Die Wiese stellte sich als idyllisches, freies Fleckchen im Wald heraus und der nächste Traumstrand nahe South West Rocks war in weniger als 30 Minuten zu erreichen. So versöhnten wir uns dann doch mit unserem ersten Wochenende auf vier Rädern.

Weißer Campervan geparkt auf einer Wiese.
Ein Van, sieben Tage und vier Erwachsene auf dem Weg in Richtung Byron Bay.

Am Sonntag ging es für uns weiter und zum ersten Mal auf einen richtigen Campingplatz. Direkt an einem Fluss und am Valla Beach gelegen, erlebten wir hier das direkte Gegenteil zu unserem recht ursprünglichen, ersten Schlafplatz. Camper an Camper und Zelt an Zelt verbrachten wir gemeinsam mit zahlreichen Australier*innen den Ostersonntag. Einen Moment für mich fand ich aber trotzdem, als ich zum Sonnenuntergang und am frühen Morgen quasi alleine am endlos langen Strand joggen ging. Für ausreichend Bewegung musste ich im Camperurlaub definitiv früh aufstehen.

Byron Bay ruft

Zur Halbzeit unserer Reise erreichten wir am Montagnachmittag Byron Bay. Ursprünglich hatten wir geplant, bis nach Brisbane zu fahren. Doch davon wurde mir sowohl von Freund*innen als auch dem Ehepaar, bei dem ich lebe, abgeraten. So konnten wir Byron Bay entspannt kennenlernen, die obligatorische Wanderung zum Leuchtturm machen und die unglaubliche Natur rund um die berühmte Surferstadt an der Ostküste genießen. Spontan entschloss ich, mir für den nächsten Tag einen Surfkurs zu buchen. Nach meinem ersten Schnupperkurs am Bondi Beach hatte ich den Ehrgeiz entwickelt, endlich auf dem Board aufstehen zu können. Ein Talent im Wassersport bin ich definitiv nicht, aber Übung macht bekanntlich den Meister. Am nächsten Tag fuhr ich mit den anderen Teilnehmenden im Bus zum nahegelegenen Lennox Head, um gemeinsam an einem Vormittag an unseren Skills zu feilen. Allerdings muss ich im Nachhinein sagen, dass ich getrost auch einfach nur ein Surfboard ausleihen und auf eigene Faust hätte üben können. Eine erste Surfstunde finde ich zwar nach wie vor sinnvoll, um die möglichen Gefahren kennenzulernen und vorbereitet zu sein. Aufgrund der hohen Teilnehmerzahl waren die Surflehrer dieses Kurses aber ziemlich beschäftigt, oder schauten uns einfach nur zu. Während ich mich also von den Wellen vom Board schmeißen ließ, verbrachte meine Familie den Dienstag in Byron, um Souvenirs zu kaufen. Mein Bruder kümmerte sich darum, unseren Camper für eine weitere Übernachtung auf einem Campingstellplatz ohne Strom vorzubereiten. Denn eins gilt es beim Buchen eines Campervans immer im Hinterkopf zu behalten: Allzu lange kannst du ohne Strom- und Wasseranschluss mit einem Van nicht campen gehen. Es gilt, einen guten Mix aus Onsite- und Offsite-Stellplätzen zu buchen, um ausreichend Wasser für den Kaffee am Morgen sicherzustellen. Mit aufgeladener Batterie und vollem Wassertank ging es für uns in einen Nationalpark, den wir spätabends erreichten. Zwar kamen wir erst im Dunkeln an und sahen nicht viel von unserem Campingplatz mitten in der Natur. Dafür überraschte uns der Blick nach oben: Wir hatten freie Sicht auf die Milchstraße, die wir aufgrund kaum vorhandener Lichtverschmutzung sehen konnten. Ein Erlebnis, das ich definitiv nicht vergessen werde!

Die einen gehen Fischen, die anderen besuchen Koalas

Mein Bruder ist in vielerlei Hinsicht mein komplettes Gegenteil. Während ich Campingplätze mit vorhandenem Waschraum bevorzuge, schläft er in seinen Urlauben auch gern mal komplett ohne Van, geschweige denn mit einem Schlafsack. Er ist ein Outdoor-Typ. Klar, dass er auf dieser Reise unbedingt fischen gehen wollte. Am Mittwoch verbrachte er den Tag daher auf hoher See, während wir in der Zwischenzeit das Hafenstädtchen Port Macquarie erkundeten. Dort erlebte ich ein weiteres Highlight unserer Reise. Umsonst kannst du hier das heimische Koala Krankenhaus besuchen, in dem gerettete Tiere aufgepäppelt werden. Ich hatte bereits schlechte Erfahrungen mit sogenannten „Koala Sanctuaries“ gemacht, in denen es weniger um das Wohl der Tiere, als das Wohl der Tourist*innen ging. Skeptisch besuchte ich also das Hospital. Doch ich wurde sehr positiv überrascht! Die Tiere konnten dort weder berührt werden, noch wurden sie den Menschen wortwörtlich ausgestellt. Stattdessen kannst du sie auf Distanz bewundern und viel Wissenswertes zu den bedrohten Koalas lernen. Eine ganz klare Herzensempfehlung auf dem Weg von Sydney nach Byron! Außerdem erlebte ich im Hospital noch eine schöne Überraschung: Ich traf dort eine Kommilitonin und wir konnten beide nicht fassen, uns so weit von Sydney durch Zufall zu treffen. Zuhause in einem Land fühlt du sich spätestens dann, wenn du im Urlaub zufällig Bekannte triffst.

Nachdem ich mich von ihr verabschiedet hatte und wir meinen Bruder wieder am Hafen eingesammelten, ging es für uns in Richtung letzter Campingplatz. In der Region rund um Port Stephens übernachteten wir noch ein letztes Mal auf weniger als 14 Quadratmetern in unserem Stockbett. Nach knapp einer Woche im Camper begann uns allen, so einiges immer mehr auf die Nerven zu gehen. Vier Erwachsene auf engem Raum können sich irgendwann eben nicht mehr so richtig aus dem Weg gehen. Statt den Donnerstag also nochmals für Ausflüge zu nutzen, beschlossen wir, direkt nach Sydney zu fahren und den letzten gemeinsamen Abend in Bondi zu verbringen.

Ab jetzt nur noch Campingurlaub?

Mit Urlauben ist es wie mit Beziehungen: Sind sie einmal vorbei, beginnst du, sie zu romantisieren. Du vergisst all die nervigen Kleinigkeiten und denkst an die schönen Momente zurück. Nur der Wäschestapel in meinem Zimmer erinnert mich daran, dass ich während unseres Trips deutlich seltener duschen konnte und im Dunkeln zum Zähne putzen laufen musste. Auch das sehr simpel gehaltene Kochen und die vielen Kompromisse, die wir im Zusammenleben eingehen mussten, machen mich vermutlich nicht zur Dauercamperin. Dennoch würde ich meine Study Vacation jederzeit wieder so verbringen.

Im Nachhinein finde ich es besonders schön, dass aus meinem Auslandsabenteuer ein Familienabenteuer wurde. Erzähle ich nun am Telefon, dass ich auf dem Weg zur Uni bin, weiß meine Familie, wovon ich spreche. Für mich bestätigt sich immer wieder, dass ich am Reisen vor allem eines liebe: Das Teilen der Erinnerungen.

In diesem Sinne, alles Liebe aus Sydney!

Eure Linda

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