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Vegan bleiben? Drei Befürchtungen und ein Brasilien-Guide

Ich lebe seit über sechs Jahren vegan. Vor meinem Auslandssemester haben mir viele die Frage gestellt, ob ich auch in Brasilien weiter vegan sein würde. Wie viele andere stand ich vor dem Dilemma: Auf der einen Seite die persönlichen Ideale, auf der anderen die Angst, Menschen im Gastland vor den Kopf zu stoßen und der Wunsch lokales Essen ausprobieren. Wie ich damit umgehe und einen veganen Guide für Brasilien mit Empfehlungen und Tipps findet ihr in diesem Beitrag.

Ich werde in diesem Beitrag zuerst ein wenig über meine eigenen Überlegungen und Erfahrungen schreiben. Wenn ihr ein paar brasilianische Rezepte kennenlernen wollt, schreibt mir gerne hier oder auf den sozialen Medien einen Kommentar. Dann kann ich ein Rezeptvideo hochladen, das ihr auch in Deutschland nachmachen könnt um euch ein Stückchen Brasilien nach Hause zu holen.

Kommunikation ist alles

Da ich seit meinem Abitur viel Zeit im Ausland verbracht habe und die ganze Zeit über vegan geblieben bin, fiel mir die Entscheidung leichter. Ich hatte bereits Erfahrungen gemacht, wie es ist, veganes Essen im Ausland und besonders in Brasilien zu finden. Und auch wie ich am besten kommuniziere, dass ich bestimmte Dinge nicht esse. Deswegen und weil ich dieses Mal in die größte Stadt Brasiliens gegangen bin, hatte ich zuvor weniger Sorgen.

Bei meinem letzten Besuch war das aber nicht so, denn da besuchte ich meinen brasilianischen Freund und seine Familie, die in Bahia auf dem Land wohnen. Dort halten sie selber Kühe und Hühner und während Vegetarismus vielleicht noch akzeptiert worden wäre, dachte ich mir, dass mein Veganismus weniger willkommen wäre. Ich hatte also drei Sorgen: 1. Ich will niemanden vor den Kopf stoßen; 2. Ich möchte gerne traditionelles Essen probieren!; 3. Wie finde ich vegane Optionen?

Ein Mädchen schaut lächelnd in die Kamera mit einem Hotdog in der Hand
Vor ein paar Wochen gab es in São Paulo einen veganen Markt. Da musste ich natürlich direkt hin.

Ein Kompriss für die Gastfreundlichkeit?

Besonders weil es sich um die Familie meines Freundes handelte, wollte ich einen guten Eindruck machen und beschäftigte ich mich vorher mit der Frage, ob ich vielleicht auch etwas nicht-veganes essen würde. Ich denke, dass es wichtig ist, sich diese Fragen vorher zu stellen und eine Antwort zu finden, um nicht davon überrascht zu werden und sich unter Druck gesetzt fühlt. Auf diese Weise konnte ich mich darauf vorbereiten „im Notfall“ etwas zu essen, das auch Milch oder Eier enthielte. Nach über fünf Jahren eine sehr befremdliche Idee.

Ich machte jedoch die Erfahrung, dass es viel einfacher war, als befürchtet. Gut war es immer, wenn ich es schaffte vorher Bescheid zu geben, um kein Essen zurückweisen zu müssen. Dabei half es auch, ein paar Beispiele zu geben, denn viele hören bei Veganismus vor allem Verzicht und Bedenken nicht, dass die Mehrheit der Dinge und vor allem die grundsätzlichen Gerichte, ohnehin vegan sind. Besonders in Brasilien wo die Basis Reis mit Bohnen ist, finden Veganer*innen und Vegetarier*innen eigentlich immer etwas! Statt den Fokus auf das zu richten, was ich nicht esse, versuche ich, die anderen Dinge noch mehr wertzuschätzen und mich umso mehr zu bedanken, wenn jemand den Versuch unternommen hat, vegan zu kochen. Und ich hatte viel Glück, denn die Familie meines Freundes war sehr offen und bemühte sich, viele Rezepte für mich umzuwandeln!

Bedeutet mein Veganismus, dass ich keine typischen Gerichte probieren kann?

Eine der häufigsten Befürchtungen ist es, etwas zu verpassen. Diesen Drang, neues Essen auszuprobieren und verschiedene Gerichte aus verschiedenen Ländern kennenzulernen, verstehe ich sehr gut. Ich denke, dass es für viele eine gute Lösung ist, ab und an für bestimmtes Essen eine Ausnahme zu machen. Um euch in Brasilien ein wenig zu helfen, habe ich untem außerdem einen Guide zusammengestellt.

Gleichzeitig habe ich persönlich nicht mehr die Befürchtung etwas zu verpassen, wenn ich ein tierisches Produkt nicht esse. Denn Essen verliert meist seinen Reiz, sobald ich weiß, dass es Milch, Käse, Fleisch oder Fisch enthält. Stattdessen versuche ich möglichst vegane / vegetarische Restaurants zu finden, oder mir alternative Rezepte mit Freunden und Freundinnen auszudenken. Dabei habe ich die Erfahrung gemacht, dass ich beginne, die Gerichte mehr wertzuschätzen. Eben weil ich erst nach einem Restaurant suchen muss, oder weil ich häufiger selber koche, wird das Essen zu einem Event. Und das macht Spaß, denn es macht beispielsweise die Suche nach der veganen Feijoada (traditioneller brasiliansicher Bohneneintopf), oder dem pão de queijo (kleine Käsebrötchen) wie zu einer Schatzsuche und zu etwas, dass ich mit Freund`*innen teilen kann. Außerdem verabrede ich mich häufiger zum Kochen mit Freund*innen und werde experimenteller. Gemeinsam mit meinem Freund habe ich viele Rezepte vegan nachgekocht.

In São Paulo ist es viel einfacher, vegan zu sein, als in anderen Orten des Landes, denn hier gibt es viele Optionen und eine große Vielfalt. Andernorts dagegen stellt sich häufig die Frage: „Wie finde ich eine vegane Option?“

Wer suchet der findet

Die einfachste Möglichkeit ist es, sich eine App wie Happy Cow (kostenlos für Android) herunterzuladen, die viele vegane und vegetarische Restaurants registriert hat. Über diese und andere Apps finde ich nicht nur neue Optionen, sondern auch einen Grund, mal ein neues Stadtviertel kennenzulernen, oder eine neue Esssensrichtung auszuprobieren. Mein bisher bester Fund in São Paulo ist ein unauffälliges Café in Pinheiros, „The Boinas„, mit veganen Churros, Milkshakes und Pão de Queijo!

Außerdem hilft es, zu wissen in welchen Vierteln einer Stadt es mehr Optionen gibt. In São Paulo sind das beispielsweise die Viertel Pinheiros und Vila Madalena und die Straße Rua Augusta. Es gibt jedoch Orte, an denen es solche Viertel nicht gibt, oder die veganen und vegetarischen Restaurants überteuert sind. In solchen Fällen frage ich meist direkt in den „normalen“ Restaurant nach, ob es möglich wäre, mir einen extra Teller zu machen. In Brasilien schlage ich beispielsweise vor, ob sie mir das normale Mittagessen machen (meistens Reis, Bohnen, Pommes, Salat und Fleisch) und statt des Fleischs einfach ein bisschen Gemüse anbraten können. Das hat bisher immer und überall funktioniert, denn es gibt, glaube ich, kein Restaurant, das gar kein Gemüse hat.

Einer der hilfreichsten Tricks ist jedoch: Kenne dein Gastland! Und deswegen folgt hier mein persönlicher Guide für Brasilien.

Acarajé wurde von ehemaligen Sklav*innen aus dem Benin nach Brasilien mitgebracht. Es wurde besonders nach der Befreiung bekannt als sie begannen, es auf der Straße zu verkaufen.

Wie ihr wahrscheinlich schon bemerkt habt, kenne ich vor allem Gerichte aus dem Nordosten ein wenig besser. Diese Liste ist in keinem Fall vollständig und sicherlich habe ich auch einiges vergessen. Schließlich hat Brasilien die Größe eines Kontinents! Eine Besonderheit von brasiliansichem Essen ist es, dass hier besonders viele Kulturen aufeinandertreffen und die Küche dadurch sehr vielfältig ist. Durch die Kolonialzeit gibt es im Nordosten beispielsweise einen großen afrikanischen Einfluss, deshalb gibt es viele Gerichte mit Dendê und Koriander. In São Paulo dagegen wird fast nie mit Koriander gekocht und es gibt sogar viele Vorurteile gegenüber dem Dendê. Dafür gibt es in der Stadt São Paulo eine große japanische Community und somit viel japanisches Essen. Gleichzeitig gibt es in ganz Brasilien, aber besonders im Süden, verschiedene europäische Einflüsse. Daraus haben sich mit der Zeit viele verschiedene Mischungen und neue Gerichte entwickelt und so kann eine brasilianische Pizza häufig gar nicht mehr mit der italienischen verglichen werden! Ich würde euch raten, offen zu bleiben für neue Erfahrungen, wenn ihr hier herkommt und einfach mal die brasilianische Version von Gerichten auszuprobieren, die ihr eigentlich schon kennt! Mein Favorit dabei: Brasilianische Churros 😉

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