4. November 2022
Ich lebe seit über sechs Jahren vegan. Vor meinem Auslandssemester haben mir viele die Frage gestellt, ob ich auch in Brasilien weiter vegan sein würde. Wie viele andere stand ich vor dem Dilemma: Auf der einen Seite die persönlichen Ideale, auf der anderen die Angst, Menschen im Gastland vor den Kopf zu stoßen und der Wunsch lokales Essen ausprobieren. Wie ich damit umgehe und einen veganen Guide für Brasilien mit Empfehlungen und Tipps findet ihr in diesem Beitrag.
Ich werde in diesem Beitrag zuerst ein wenig über meine eigenen Überlegungen und Erfahrungen schreiben. Wenn ihr ein paar brasilianische Rezepte kennenlernen wollt, schreibt mir gerne hier oder auf den sozialen Medien einen Kommentar. Dann kann ich ein Rezeptvideo hochladen, das ihr auch in Deutschland nachmachen könnt um euch ein Stückchen Brasilien nach Hause zu holen.
Kommunikation ist alles
Da ich seit meinem Abitur viel Zeit im Ausland verbracht habe und die ganze Zeit über vegan geblieben bin, fiel mir die Entscheidung leichter. Ich hatte bereits Erfahrungen gemacht, wie es ist, veganes Essen im Ausland und besonders in Brasilien zu finden. Und auch wie ich am besten kommuniziere, dass ich bestimmte Dinge nicht esse. Deswegen und weil ich dieses Mal in die größte Stadt Brasiliens gegangen bin, hatte ich zuvor weniger Sorgen.
Bei meinem letzten Besuch war das aber nicht so, denn da besuchte ich meinen brasilianischen Freund und seine Familie, die in Bahia auf dem Land wohnen. Dort halten sie selber Kühe und Hühner und während Vegetarismus vielleicht noch akzeptiert worden wäre, dachte ich mir, dass mein Veganismus weniger willkommen wäre. Ich hatte also drei Sorgen: 1. Ich will niemanden vor den Kopf stoßen; 2. Ich möchte gerne traditionelles Essen probieren!; 3. Wie finde ich vegane Optionen?
Ein Kompriss für die Gastfreundlichkeit?
Besonders weil es sich um die Familie meines Freundes handelte, wollte ich einen guten Eindruck machen und beschäftigte ich mich vorher mit der Frage, ob ich vielleicht auch etwas nicht-veganes essen würde. Ich denke, dass es wichtig ist, sich diese Fragen vorher zu stellen und eine Antwort zu finden, um nicht davon überrascht zu werden und sich unter Druck gesetzt fühlt. Auf diese Weise konnte ich mich darauf vorbereiten „im Notfall“ etwas zu essen, das auch Milch oder Eier enthielte. Nach über fünf Jahren eine sehr befremdliche Idee.
Ich machte jedoch die Erfahrung, dass es viel einfacher war, als befürchtet. Gut war es immer, wenn ich es schaffte vorher Bescheid zu geben, um kein Essen zurückweisen zu müssen. Dabei half es auch, ein paar Beispiele zu geben, denn viele hören bei Veganismus vor allem Verzicht und Bedenken nicht, dass die Mehrheit der Dinge und vor allem die grundsätzlichen Gerichte, ohnehin vegan sind. Besonders in Brasilien wo die Basis Reis mit Bohnen ist, finden Veganer*innen und Vegetarier*innen eigentlich immer etwas! Statt den Fokus auf das zu richten, was ich nicht esse, versuche ich, die anderen Dinge noch mehr wertzuschätzen und mich umso mehr zu bedanken, wenn jemand den Versuch unternommen hat, vegan zu kochen. Und ich hatte viel Glück, denn die Familie meines Freundes war sehr offen und bemühte sich, viele Rezepte für mich umzuwandeln!
Bedeutet mein Veganismus, dass ich keine typischen Gerichte probieren kann?
Eine der häufigsten Befürchtungen ist es, etwas zu verpassen. Diesen Drang, neues Essen auszuprobieren und verschiedene Gerichte aus verschiedenen Ländern kennenzulernen, verstehe ich sehr gut. Ich denke, dass es für viele eine gute Lösung ist, ab und an für bestimmtes Essen eine Ausnahme zu machen. Um euch in Brasilien ein wenig zu helfen, habe ich untem außerdem einen Guide zusammengestellt.
Gleichzeitig habe ich persönlich nicht mehr die Befürchtung etwas zu verpassen, wenn ich ein tierisches Produkt nicht esse. Denn Essen verliert meist seinen Reiz, sobald ich weiß, dass es Milch, Käse, Fleisch oder Fisch enthält. Stattdessen versuche ich möglichst vegane / vegetarische Restaurants zu finden, oder mir alternative Rezepte mit Freunden und Freundinnen auszudenken. Dabei habe ich die Erfahrung gemacht, dass ich beginne, die Gerichte mehr wertzuschätzen. Eben weil ich erst nach einem Restaurant suchen muss, oder weil ich häufiger selber koche, wird das Essen zu einem Event. Und das macht Spaß, denn es macht beispielsweise die Suche nach der veganen Feijoada (traditioneller brasiliansicher Bohneneintopf), oder dem pão de queijo (kleine Käsebrötchen) wie zu einer Schatzsuche und zu etwas, dass ich mit Freund`*innen teilen kann. Außerdem verabrede ich mich häufiger zum Kochen mit Freund*innen und werde experimenteller. Gemeinsam mit meinem Freund habe ich viele Rezepte vegan nachgekocht.
In São Paulo ist es viel einfacher, vegan zu sein, als in anderen Orten des Landes, denn hier gibt es viele Optionen und eine große Vielfalt. Andernorts dagegen stellt sich häufig die Frage: „Wie finde ich eine vegane Option?“
Wer suchet der findet
Die einfachste Möglichkeit ist es, sich eine App wie Happy Cow (kostenlos für Android) herunterzuladen, die viele vegane und vegetarische Restaurants registriert hat. Über diese und andere Apps finde ich nicht nur neue Optionen, sondern auch einen Grund, mal ein neues Stadtviertel kennenzulernen, oder eine neue Esssensrichtung auszuprobieren. Mein bisher bester Fund in São Paulo ist ein unauffälliges Café in Pinheiros, „The Boinas„, mit veganen Churros, Milkshakes und Pão de Queijo!
Außerdem hilft es, zu wissen in welchen Vierteln einer Stadt es mehr Optionen gibt. In São Paulo sind das beispielsweise die Viertel Pinheiros und Vila Madalena und die Straße Rua Augusta. Es gibt jedoch Orte, an denen es solche Viertel nicht gibt, oder die veganen und vegetarischen Restaurants überteuert sind. In solchen Fällen frage ich meist direkt in den „normalen“ Restaurant nach, ob es möglich wäre, mir einen extra Teller zu machen. In Brasilien schlage ich beispielsweise vor, ob sie mir das normale Mittagessen machen (meistens Reis, Bohnen, Pommes, Salat und Fleisch) und statt des Fleischs einfach ein bisschen Gemüse anbraten können. Das hat bisher immer und überall funktioniert, denn es gibt, glaube ich, kein Restaurant, das gar kein Gemüse hat.
Einer der hilfreichsten Tricks ist jedoch: Kenne dein Gastland! Und deswegen folgt hier mein persönlicher Guide für Brasilien.
Mein persönlicher veganer Guide für Brasilien
- Comida a quilo
Ein wahrer Lebensretter sind die Restaurants die „Comida por quilo“ anbieten, denn hier wird Essen im Büfett angeboten. Je nach Größe des Restaurants gibt es Reis, Bohnen, Salate, Fleisch, gebratenes Gemüse, Soja und teilweise verschiedene Nachtische. Das bedeutet, dass hier alle auf ihre Kosten kommen, am Ende wird das Essen gewogen und jeder bezahlt je nach Gewicht. Obwohl diese Art von Restaurant auch sehr schick sein kann, ist sie häufig eher einfach und an jeder Straßenecke zu finden.
- Welche typischen Gerichte sind immer vegan, oder können einfach vegan gemacht werden?
Açaí: Das bei uns bloß als Superfood bekannte Eis findet du hier an jeder Straßenecke und es ist der perfekte Snack nach einem Spaziergang, oder einem Tag am Strand. Ebenso wie in den Kilo-Restaurants wird Açaí häufig nach Gewicht verkauft. Ihr bekommt am Eingang einen Becher und könnt so viel Eis und Toppings wie ihr möchtet auswählen und bezahlt nur am Ende nach Gewicht. Ein kleiner Tipp: Die meisten Soßen wie Karamell und Schoko sind meistens vegan ;).
Cupuaçu: Häufig wird das Eis aus der Cupuaçu-Frucht zusammen mit Açaí angeboten. Dieses Obst ist verwandt mit der Kakaofrucht, schmeckt aber wie nichts womit ich es vergleichen könnte. Ab und zu wird Milch in das Cupuaçu-Eis gegeben, deswegen lohnt es sich, vorher zu fragen.
Pastel: Pastel ist eines der typischen Streetfoods, die es in ganz Brasilien gibt. Es ist eine rechteckige, frittierte Teigtasche mit verschiedenen Füllungen. Oft gibt es ein Pastel mit einer Füllung aus Banane, Zucker und Zimt, das vegan ist. Manchmal ist aber auch die Füllung aus Palmherzen vegan, hier lohnt es sich, nachzufragen!
Aimpim frito: Ein weiteres Streetfood ist frittierter Maniok, je nach Region kann es Aimpim, Macaxeira oder Mandioca heißen. Maniok schmeckt aber nicht nur frittiert, ihr solltet es auf jeden Fall gekocht, als Brei, oder frittiert probieren, wenn ihr in Brasilien seid!
Tapioca: Tapioca wird in Brasilien häufig zum Frühstück gegessen und ist eine Art Crepe aus Maniokstärke, der mit allen möglichen Sachen gefüllt werden kann. Es ist einfach, Tapioka selber zu machen, alles was ihr dafür braucht ist Goma de Tapioca, ein Art Mehl aus Maniokstärke das ihr in Brasilien in jedem Supermarkt findet. In Deutschland müsst ihr ein bisschen länger suchen, ihr findet es dort in brasilianischen und südamerikanischen Supermärkten. Um die Tapioca zuzubereiten, filtert ihr einfach das Mehl in eine Pfanne auf dem Herd, es verhärtet sich von selbst. Nach ein paar Minuten könnt ihr den Crepe umdrehen, von der anderen Seite erhitzen, eine Füllung in die Mitte legen und ihn in der Hälfte umklappen. Wenn ihr schon in Brasilien seid und unterwegs und nichts selber machen könnt, fragt einfach an einem Stand, ob ihr einen Tapioca mit einer Füllung aus Banane und Kokosraspeln haben könnt.
Noch mehr Tapioca und Küsse: Besonders im Nordosten gibt es außer dem klassischen „Crepe“ noch viele weitere Produkte aus Tapioca. In Bahia gibt es Snacks aus Tapioca die „Beiju“, also „Kuss“ genannt werden, das sind wie kleine Chips oder Kekse mit Kokosfüllung, oder einer Füllung aus Guave. Außerdem gibt es cuscuz de tapioca, eine Art saftiger Kuchen aus Kokosmilch und Tapioca, hier solltet ihr aber vorher fragen, ob er Kondensmilch enthält. Viele dieser Dinge findet ihr besonders günstig auf dem Wochenmarkt aber auch in vielen Supermärkten.
Doce de Umbu: Auf dem Wochenmarkt findet ihr außerdem häufig eine Süßigkeit aus Obst die wie ein kleiner Block aussieht. Die Konsistenz ähnelt ein wenig einem Gummibärchen und es gibt sie in verschiedenen Geschmacksrichtungen wie Umbu (eine brasilianische Frucht), Banane, oder Süßkartoffel. Der Name ändert sich je nach Obst: Doce de Umbu, doce de banana/marmelade und doce de batata doce. Wenn es mit Guave gemacht wird heißt es Goiabada.
Paçoca: Eine Süßigkeit aus Erdnuss und Zucker, die ihr wirklich überall findet und die immer vegan ist!
Grüne Banane (Nordosten): Eines meiner Lieblingsgerichte ist banana verde. Da diese Banane nicht gut im Süden des Landes wächst, ist es ein Essen, das eher typisch für den Nordosten ist. Es wird mit Kokosmilch, Koriander und Dendê (einer Art von Palmöl) zubereitet.
Quiabo / Caruru ohne Garnelen (bahianisch): Caruru wird typischerweise in Bahia mit Acarajé (ein frittierter Bohnenteig mit verschiedenen Füllungen) gegessen und ist wie eine Art Curry aus Okra. Wie die grüne Banane wird es mit Kokosmilch, Dendê und Koriander gekocht und kann auch einfach zum Mittagessen mit Reis und Bohnen gegessen werden. Wichtig ist hier, vorher zu fragen, ob es mit Garnelen gekocht wurde.
Moqueca de legumes / Moqueca de banana verde (bahianisch): Moqueca ist ein traditionelles, bahianisches Gericht, das wie ein brasilianisches Curry ist. Meistens wird es mit Fisch und Meeresfrüchten gemacht, ich habe aber immer häufiger auch die Option einer Moqueca mit Gemüse oder grüner Banane gesehen.
Caipirinha: Okay, das klingt jetzt klischeehaft und zugleich nicht besonders, aber lest erst einmal weiter! Denn Caipirinha gibt es in Brasilien nicht nur mit Limetten, sondern mit einer Vielzahl von frischem Obst, welches ihr teilweise in Deutschland sicher noch nie gesehen habt. Neben Maracuja und Ananas werden beispielsweise Umbu, Cashew-Frucht und Acerola häufig angeboten.
Caldo de Cana: Frischer Zuckerrohrsaft, ich bin ehrlich: Nicht mein Lieblingsgetränk, aber definitiv eine Erfahrung. Der Saft wird nämlich frisch aus dem Zuckerrrohr gepresst und das sieht beeindruckend aus!
Kokoswasser und Obstsäfte: Ich liebe frisches Kokoswasser und all die verschiedenen Säfte die es in Brasilien gibt. Habt ihr beispielsweise schon einmal Saft aus der Cashewfrucht getrunken? Oder Acerolasaft? Wenn nicht, solltet ihr es hier unbedingt einmal ausprobieren!
Guaraná: Guaraná (wichtig ist hier die Betonung auf dem letzten a ;)) gibt es häufig als Limonade und wird aus einer Frucht gemacht, die aus dem Amazonas kommt. Sie ist besonders bekannt dafür eine Wirkung wie Kaffee zu haben. Außerdem sieht die Frucht aus wie ein Auge, deswegen gibt es bei vielen indigenen Völkern Geschichten zu der Frucht. Leider habe ich kein Foto der Frucht, aber googlet sie einfach mal!
Obst, Obst, Obst: Ganz davon abgesehen, dass es hier viele verschiedene Sorten Obst gibt, schmecken sie hier auch einfach anders! Diese Sorten solltet ihr in jedem Fall probieren: Pinha, Ananas, Caju, Mini-Mangos, Jabuticaba, Jaca.
- Welche Gerichte solltet ihr in jedem Fall versuchen zu finden?
Viele Gerichte sind schwierig vegan zu finden, aber die Suche lohnt sich! Hier sind die Gerichte, die ich in jedem Fall empfehlen würde:
Acarajé mit Vatapá und Caruru: Ein typisch bahianisches Gericht, welches leider häufig mit Garnelen, oder Krabben gemacht wird.
Feijoada: Ein traditioneller Eintopf mit schwarzen Bohnen und Fleisch.
Escondidinho: Eine Art von Shepard´ s Pie, allerdings statt mit Kartoffeln mit Maniok.
Coxinha: Eine frittiere Teigtasche in der Form einer kleinen Kuppel, oder Pyramide und mein absolutes Lieblings-Salgado (Salgado = Herzhafte frittierte Teigtaschen / Snacks)
Wie ihr wahrscheinlich schon bemerkt habt, kenne ich vor allem Gerichte aus dem Nordosten ein wenig besser. Diese Liste ist in keinem Fall vollständig und sicherlich habe ich auch einiges vergessen. Schließlich hat Brasilien die Größe eines Kontinents! Eine Besonderheit von brasiliansichem Essen ist es, dass hier besonders viele Kulturen aufeinandertreffen und die Küche dadurch sehr vielfältig ist. Durch die Kolonialzeit gibt es im Nordosten beispielsweise einen großen afrikanischen Einfluss, deshalb gibt es viele Gerichte mit Dendê und Koriander. In São Paulo dagegen wird fast nie mit Koriander gekocht und es gibt sogar viele Vorurteile gegenüber dem Dendê. Dafür gibt es in der Stadt São Paulo eine große japanische Community und somit viel japanisches Essen. Gleichzeitig gibt es in ganz Brasilien, aber besonders im Süden, verschiedene europäische Einflüsse. Daraus haben sich mit der Zeit viele verschiedene Mischungen und neue Gerichte entwickelt und so kann eine brasilianische Pizza häufig gar nicht mehr mit der italienischen verglichen werden! Ich würde euch raten, offen zu bleiben für neue Erfahrungen, wenn ihr hier herkommt und einfach mal die brasilianische Version von Gerichten auszuprobieren, die ihr eigentlich schon kennt! Mein Favorit dabei: Brasilianische Churros 😉