11. September 2018
Als ich die Zusage für mein Auslandspraktikum bekam, plante ich bereits, währenddessen einen Kurztrip nach Jordanien einzulegen. Das bietet sich an, denn Amman liegt nur 70 km entfernt von Jerusalem. Diese Woche war es endlich so weit! Das Ganze ist auf Grund des Nahostkonflikts allerdings viel schwieriger, als man es sich vielleicht vorstellt…
Da die Bewegungsfreiheit für Palästinenser_innen bzw. Araber_innen, manchmal aber auch für Ausländer_innen in Palästina aufgrund des Konflikts eingeschränkt ist, musste ich erstmal recherchieren, welchen Grenzübergang ich wann und wie passieren durfte. Von drei Grenzübergängen konnte ich den im Norden benutzen. Bei der Ausreise wurden mir von den israelischen Behörden einige Fragen gestellt, von ob ich einen Zweitpass besitze bis hin zu welcher Erkenntnis ich bisher bei meinem Forschungsaufenthalt gekommen sei. Meinen Vornamen musste ich auch vor dem Grenzbeamten aussprechen, weil er wahrscheinlich vermutete, dass er arabisch sei. Ich bin aber weder Araberin, noch ist Arabisch meine Muttersprache. Nach etwa sieben Stunden (für 70 Kilometer!) und zig Umstiegen bin ich dann endlich in Amman angekommen.
Angekommen in Jordanien
Auf dem Weg von der jordanischen Grenze nach Amman fuhren wir an sehr vielen armen, einfachen kleinen Dörfern vorbei. Einen Unterschied zum außerstädtischen Palästina sah ich erst mal nicht. Amman ist allerdings eine pulsierende, wachsende Stadt mit einem neuen, moderaten Westteil und der Altstadt im Osten. Die Altstadt erinnerte mich sehr an die von Alquds/Ost-Jerusalem und ich fühlte mich gleich heimisch. Kein Wunder, denn die meisten Straßenzüge und Geschäfte werden dort von Palästinenser_innen, die zwischen 1948 und 1967 vertrieben worden sind, betrieben. Wann immer ich mit Menschen ins Gespräch kam, waren sie verwundert, dass ich nach Palästina gegangen bin. In den Souvenirgeschäften kann man überwiegend Produkte, die irgendwie Palästina-bezogen sind, kaufen. Das reicht von der Palästinakarte bis zu Portraits von arabischen Diktatoren aus der Vergangenheit, ein richtiger What-The-F**k-Moment.
White Privilege in Jordanien
Neben den reichen Investoren aus dem Golf, die hier ihre Freiheit genießen und rund um die Uhr bedient werden, genießt man auch mit einem roten Reisepass alle Vorteile des weißen Europäers bzw. der weißen Europäerin. Nachdem ich die deprimierende Erfahrung machen musste, dass auch Jordanien ein Land voller Checkpoints ist, wollten die Grenzbeamten meinen Pass nicht mal sehen, während die arabischen Businsass_innen ihre Pässe immer vorzeigen mussten. Auf der Reise lernte ich irakisch-, syrisch-, und marokkanischstämmige Menschen kennen, die trotz anerkannter Ausweisdokumente jedes Mal zur Befragung oder besonderen Musterung aussteigen mussten. Der Bus hatte deshalb immer wieder Verspätung.
In der kurzen Zeit habe ich viel gesehen, unter anderem den UNSECO-Weltkulturerbe-Ort Petra, die Wüste Wadi Rum und die Hafenstadt Akaba, von der man quasi auf vier Länder gleichzeitig blicken kann. Besonders der Blick auf das gegenüberliegende Ufer von Akaba nach Eilat (heute Israel) und das wunderschöne Meer, ließ mich immer wieder spüren wie nah der Konflikt ist. Da fragt man sich schon, wieso nicht endlich Frieden einkehren kann.
Grenzerfahrung Israel
Wie das im Urlaub so ist, verfliegt die Zeit immer viel zu schnell. Vor der Einreise nach Israel graute es mir, weil ich wusste, dass sie mich aufgrund meines längeren Aufenthalts und meines Namens befragen würden. Auf dem Rückweg nahm ich einen anderen Grenzübergang, der näher an Amman liegt. Dort dauerte das Passieren der Grenze mit dem Bus aber am längsten. Auf der Fahrt kommt man durch schöne, wüstige Natur, die allerdings militärisches Sperrgebiet ist… Dieser Grenzübergang ist auch der einzige, den Palästinenser_innen, die nur Eintritt in das Westjordanland/West Bank haben, benutzen können. Dementsprechend war es sehr voll.
Nach drei Passkontrollen und einigen Fragen bekam ich einen Zettel in die Hand gedrückt und mein Pass wurde mir abgenommen… Die erste Frage drehte sich um die Vor- und Nachnamen meines Großvaters väterlicherseits und meines Vaters, der sehr wichtig in der arabischen Welt ist. Fragen zu meiner Passnummer und wann mein Pass ausgestellt worden ist, konnte ich gar nicht beantworten, da er mir ja zuvor abgenommen wurde. Während wir beobachteten, wie andere Menschen die Passkontrolle mühelos passieren konnten, wurde ich nach stundenlanger Warterei, zusammen mit arabischstämmigen Menschen, das erste Mal befragt. Die Fragen drehten sich vor allem um meinen Namen, die Religion meiner Eltern/Großeltern und um meinen Forschungsaufenthalt. Ich muss gestehen, dass ich irgendwann so nervös war, dass ich nicht mehr richtig Englisch sprechen konnte, vor allem, weil noch ein zweiter Beamter daneben stand, der mich die ganze Zeit beobachtete. Danach konnte ich mich wieder hinsetzen und warten… warten… und warten. Um 16 Uhr kam von irgendwo das Gerücht auf, dass die Grenze wegen des jüdischen Neujahrs um 17 Uhr schließen würde. Ich wurde erneut zu einer Befragung aufgerufen und musste einer Grenzbeamtin in ein Büro folgen. Dieses mal wurde noch intensiver auf meinen Forschungsaufenthalt eingegangen.
Als ich endlich meine Einreisegenehmigung erhielt, war ich sehr happy aber mit den Nerven durch, sodass ich im Bus eingeschlafen und erst in meinem geliebten Alquds/Ost-Jerusalem aufgewacht bin.