13. November 2015
Zehntausende Menschen protestieren auf dem Universitätsplatz, dem Platz, der schon für die Revolution 1989 so bedeutend war. Auch heute fordern die Menschen einen politischen Neuanfang. Und ich bin als Politikstudentin mittendrin.
Die Forderungen der Demonstranten sind sehr divers, adressieren vor allem die orthodoxe Kirche, die politische Elite, Korruption und die Risse im Gesundheitssystem. Sprinter mit Satellitenschüsseln auf den Dächern reihen sich um den Universitätsplatz. Durch deren Scheiben lässt sich das Fernsehequipment erahnen. Die Live-Aufnahmen werden Innen auf Bildschirmen abgespielt. Fernsehkameras überall. 30 m über uns leuchtet das grüne Licht einer Drohne, die die Massen aufzeichnet.
Gedenken an die Opfer der Brandkatastrophe
Die Menschen haben Kerzen angezündet, Blumen niedergelegt und Bilder der Opfer aufgestellt. Mindestens 51 junge Menschen sind durch den Brand im Nachtclub Colectiv vom 30. Oktober ums Leben gekommen.
Am Tag nach den ersten Massenprotesten ist der Regierungschef Victor Ponta zurückgetreten. Doch das reicht den Leuten nicht. „You can’t buy us with a resignation or two“, hört man oft. Die Menschen wollen nicht mehr nur zugucken, sie wollen ein besseres Rumänien für sie und ihre Kinder. Und doch ist die Stimmung nicht aggressiv oder gar gewalttätig. Sie ist vielmehr bestimmt, doch sehr friedlich, gemischt mit Trauer und der Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Es sind vor allem junge Leute auf der Straße. „The day we give in is the day we die!” steht auf einem Plakat.
Andere Städte Rumäniens wie Cluj und Sibiu schlossen sich den Protesten an. Am sechsten Tag der Proteste geht Rumäniens Präsident Klaus Johannis persönlich auf den Universitätsplatz in Bukarest, um mit den Demonstrierenden zu sprechen. Darüber, dass ich an diesem Abend nicht bei den Protesten bin, werde ich mich wohl noch länger ärgern.
Der tiefe Schock in der rumänischen Gesellschaft nach dem Brand hat viele Leute dazu bewegt die politischen Prozesse aktiver lenken zu wollen. Sich nicht damit zufrieden zu geben, einmal in vier Jahren ein Kreuz auf einen Zettel zu malen. Was kann man sich als angehende Soziologin/Politikwissenschaftlerin mehr wünschen, als diesen emanzipatorischen Moment live mitzuerleben?!