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Wieso ich mein Auslandspraktikum verlängert habe

Das Praktische Jahr: der letzte Abschnitt des Medizinstudiums. Während dieses Jahres sollen praktische Erfahrungen in drei Fachbereichen in Form von jeweils viermonatigen Praktika gesammelt werden. Für mich hieß das: erst Hautmedizin an meiner Heimatuniversität in Bochum, dann Innere Medizin in Bern und danach zwei Monate Chirurgie in Ruanda, gefolgt von weiteren zwei Monaten Chirurgie an meiner Heimatuniversität. Doch ich wäre nicht ich, wenn ich nicht inmitten meines Weges meine Pläne auf den Kopf gestellt hätte.

Am 27.12.2022 begann das dritte und gleichzeitig letzte Tertial meines Praktischen Jahres. Doch anstatt wie geplant in Kigali, der Hauptstadt Ruandas zu sein, fand ich mich in der chirurgischen Abteilung eines Krankenhauses in Bern wieder. Hier bin ich noch heute und werde auch bis zum Ende meines Praktischen Jahres bleiben. Kein Ruanda und kein Bochum mehr. Stattdessen verbringe ich zwei Tertiale in der Schweizer Hauptstadt Bern.

Das, was war

Im Spätsommer 2021 verschickte ich Bewerbungen für eine Praktikumsstelle an mehrere Kliniken innerhalb der Schweiz. Da Freund:innen bereits Teile ihres Praktischen Jahres in Basel absolviert und dort gute Erfahrungen gesammelt hatten, kam ich überhaupt auf die Idee, mich in der Schweiz zu bewerben. Eine Zusage für mein zweites Tertial in der Schweiz erhielt ich im Herbst 2021. Dabei schaffte ich es davon auszugehen, in Basel angenommen worden zu sein. Rückblickend hätte ich die Mail aufmerksamer lesen sollen. Lange Zeit ging ich also davon aus, dass ich bald ebenfalls in die gleichen Bars gehen und die gleichen Straßen und Landschaften entdecken würde wie meine Freund:innen in Basel vor mir. Nur gut, dass ich zum Start meines Praktischen Jahres im Mai 2022 auf die Idee kam nachzuschauen, wo genau die Klinik, in der ich immerhin vier Monate sein würde, genau lag.

Fotografiert von einem Aussichtspunkt am Rande der Stadt. Rechts sieht man den Hausberg Gurten. Mittig das Münster. Die Sonne scheint und man hat sehr gute Sicht auf die Stadt Bern.
Bilder der Stadt waren vielversprechend… Moment – Da steht etwas von Bern… Bern?!

Hoppla. Doch eine Zusage ist eine Zusage und ein Auslandsaufenthalt ein Auslandsaufenthalt. Und das niemand in meinem Bekannt:innenkreis mal in Bern war, bedeutet erst einmal nichts. Die Bewertungen der Klinik waren sehr gut und ließen auf eine angenehme Zeit hoffen. Ich buchte mein Zugticket nach Bern, packte meine sieben Sachen, verabschiedete mich von Freund:innen und Familie und dann ging es im September 2022 los.

Das, was es wurde

Willkommen in der Hauptstadt der Schweiz. Hinsichtlich der Fläche und Einwohnerzahl ungefähr ein Drittel so groß wie Bochum. Die Aare, ein Fluss, der in den Rhein mündet, durchfließt die Stadt und motiviert viele Einheimische und Tourist:innen 365 Tage im Jahr zum Baden und Treiben lassen. Im Süden der Stadt befindet sich der Hausberg Gurten der Stadt Bern. Ich selbst wohne in Gümligen, eine Gemeinde angrenzend an die Stadt Bern.

Die Stadt Bern bei Nacht. Rechts sieht man den Hausberg Gurten und in der Mitte das hell erleuchtete Münster. Der Himmel ist wolkenlos und man erkennt sogar Sterne. Die Stadt wird von elektrischem Licht erleuchtet. Der Himmel ist aufgrund von Lichtverschmutzung nicht gänzlich schwarz.
Noch nie habe ich in einer solch schönen Stadt wie Bern gelebt. Sowohl am Tag als auch in der Nacht ein Besuch wert.

Gleich zu Beginn fühlte ich mich in Bern gut aufgehoben. Menschen, die meinen Weg kreuzten, waren überaus freundlich und zuvorkommend. Mein Praktikum in der altersmedizinischen Klinik in Bern gefiel mir ebenfalls sehr gut. Meine Kolleg:innen und vorgesetzten Ober- und Chefärzt:innen behandelten mich respektvoll, boten mir das Du an und freuten sich über jegliche Fragen und nahmen sich Zeit, diese auch zu beantworten. Ich fühlte mich sowohl während meines Praktikums als auch während meiner Freizeit bei den Menschen, die ich über meinen Klinikalltag hinaus kennenlernte, willkommen.

Jedoch brauchte es Zeit, bis ich mich an die neue Umgebung und die Schweizer Gepflogenheiten gewöhnte. So traf der Ruhrpott mit seinem „Direkt“ und „Frei nach Schnauze“ auf „freundliche Zurückhaltung“. Somit eckte ich gerade zu Beginn meines Aufenthaltes nicht selten an. Mit der Zeit lernte ich immer mehr über das Land, die Menschen und die Kultur. Mir fiel auf, dass ich nicht viel über das Nachbarland Deutschlands wusste, obwohl die Schweiz so viel Geschichte und Kultur zu bieten hat.

Hinter Tobias stehen drei Frauen. Alle vier halten einen Leib Käse in der Hand und lächeln in die Kamera. Sie befinden sich in einem Käse Museum und sehen amüsiert aus.
Die Schweiz ist so viel mehr als Schweizer Käse und Schoki. Aber es stimmt, dass diese der Hammer sind.

Das, was bleibt

Wochen und Monate vergingen und das Leben hier gefiel mir mehr und mehr. Ende Dezember sollte die Reise für mich weiter gehen und dies stimmte mich sehr traurig. Ich war an einem Ort, an dem es sich lohnt, in die Ferne zu schauen, an dem ich mir viel Mühe gab, Freund:innen zu finden und von dem ich noch immer nicht alles gesehen habe. Mir wurde klar, dass vier Monate zu wenig waren, um wirklich anzukommen.

Immerhin möchten Freundschaften gepflegt und Landschaften erkundet werden. Ich konnte also noch nicht gehen. Doch die Zeit drängte, denn die Frist für das dritte Tertial endete Ende November. Schließlich kümmerte ich mich innerhalb von zwei Wochen um einen neuen Praktikumsplatz in der Chirurgie an einem Berner Krankenhaus und fand kurz vor Ende der Frist auch eine Stelle. Es war geschafft: Ich würde vorerst bis Ende März bleiben.

Tobias sitzt auf einem Steg und schaut in die Ferne. Vor ihm erstreckt sich ein See. Der Himmel ist von Wolken bedeckt. Die Stimmung nachdenklich.
Obwohl ich mich auf das Praktikum in Ruanda freuen sollte, war ich nicht bereit, mein kleines, jedoch mit viel Mühe aufgebautes Umfeld in Bern ziehen zu lassen.

Das, was ist

Nun befinde ich mich inmitten meines letzten Tertials. In einigen Wochen werde ich zurück nach Deutschland kehren und für mein drittes und letztes Staatsexamen lernen. Bis dahin genieße ich meine Zeit in Bern. Bis heute kann ich mich von der Stadt nicht sattsehen und entdecke nach wie vor immer wieder etwas Neues. Ich pflege Freundschaften, besuche süße Cafés, erkunde das Berner Nachtleben, lerne neue Leute kennen, warte auf den Frühling. Außerdem halte ich via Nachrichten und Videoanrufe Kontakt mit meinen Freund:innen in Deutschland.

Selbstverständlich vermisse ich Freunde und Familie und bin traurig, dass ich einige Geburtstage und Feierlichkeiten verpasst habe. Doch bald bin ich zurück und bis dahin kann ich sagen: Mir gehts hier gut. Ich bin angekommen.

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