14. April 2020
Fast einen Monat ist es her, dass ich am Frankfurter Flughafen gelandet bin, und mein Gastland Nepal habe ich schon Anfang Februar verlassen. Gerade in den letzten Wochen hatte ich (dank Corona) viel Zeit zum Nachdenken und möchte endlich ein Fazit über mein Auslandspraktikum ziehen.
Tagelange Wanderungen durch die Berge, Momos für unter einem Euro, bunte Festivals mit Tanz und Musik, kleine Gassen voller Plastikmüll, überfüllte Busse, wunderschöne Tempel, rosa Abendhimmel und lange Nächte am Lagerfeuer – das sind nur ein paar der Bilder die mir in den Sinn kommen, wenn ich mich an meine Zeit in Nepal erinnere. In den vier Monaten dort hatte ich die Chance, viele verschiedene Facetten (wenn auch lange nicht alle) dieses beeindruckenden Landes zu entdecken, tollen Menschen zu begegnen und mich selbst immer wieder aufs Neue herauszufordern.
Es ist schwierig, eine so aufregende Zeit in einem einzigen Beitrag zu reflektieren, aber ich möchte es trotzdem versuchen. Um das ganze ein wenig leichter zu gestalten, habe ich entschieden mich hier auf drei Dinge zu beschränken, die mich auch nach dem Ende meines Auslandspraktikums begleiten werden.
Freundschaften aus aller Welt
Ein Auslandspraktikum ist die perfekte Gelegenheit, um neue Freundschaften zu knüpfen. Ganz alleine in einer fremden Umgebung ist man plötzlich gezwungen, aktiv auf andere zuzugehen und sie kennenzulernen, wenn man sich nicht einsam fühlen möchte. Glücklicherweise haben mir viele Nepali diese Aufgabe leicht gemacht. Von Anfang an wurde ich von meinem Mentor und seiner Familie wie auch von meinem Arbeitskollegen herzlich aufgenommen. Schon in meinem ersten Monat konnte ich eine Mädelsgruppe auf ihrer Wanderung zum Annapurna Base Camp begleiten und zwei der größten hinduistischen Festivals gemeinsam mit einer Nepali Familie feiern. Im Dezember habe ich gemeinsam mit hoch motivierten jungen Nepali eine Initiative zum Aufräumen der Wanderwege rund um Kathmandu gestartet, die bis zum Ende meines Praktikums stetig gewachsen ist. Bei den wöchentlichen Coachsurfing Treffen in meinem Lieblingshostel bin ich regelmäßig neuen interessanten Leuten begegnet und habe gleichzeitig die Verbindung zu meinen Freunden vor Ort vertieft.
Aber ich habe nicht nur Nepali kennengelernt, sondern auch viele Freiwillige aus anderen Ländern, die längerfristig in der Stadt leben. Während meine Nepali Freunde mir einzigartige Einblicke in ihre Kultur ermöglicht haben und meine vielen Fragen mit Engelsgeduld ertragen haben, waren meine Freunde aus Europa – vor allem andere Deutsche und Österreicher – wie ein Stück Heimat, dass mich beruhigt und gestärkt hat, wenn mir die vielen fremden Gewohnheiten und Eindrücke zu viel wurden. Beides habe ich gebraucht, und beides wird mir hoffentlich noch lange erhalten bleiben.
Dankbarkeit
Mein Leben in Kathmandu sah ganz anders aus als mein Alltag in Deutschland. Auf viele Bequemlichkeiten wie eine Waschmaschine oder schnelle und organisierte öffentliche Verkehrsmittel musste ich verzichten und mich mit Alternativen arrangieren. Das war anfangs natürlich eine Umstellung, hat mir aber vor allem eins gegeben: Ein neues Bewusstsein für meine eigenen Privilegien und einen schärferen Blick für das Wesentliche. Sicher war mir auch vorher klar, dass ich in einem Land wie Deutschland ein sehr gutes Leben führe und dass vieles was für mich normal ist anderswo als Luxus gilt. So deutlich wie in meiner Zeit in Nepal ist es mir vorher aber nie geworden. Manche Dinge muss man vielleicht erleben, um sie wirklich zu verstehen.
Zudem ist mir noch einmal bewusst geworden, was ich wirklich brauche. Das ist nämlich nicht die heiße Dusche oder die schnelle Internetverbindung (auch wenn beides sicher angenehm ist), sondern vor allem die richtigen Menschen und Aufgaben, die mich antreiben und begeistern. Mit Freunden zusammen essen, stundenlang schweißgebadet durch die Berge laufen, schwarzen Tee über dem Lagerfeuer erwärmen, oder mit einer Gruppe von gleichgesinnten Plastikmüll vom Boden aufheben – das sind die Momente, an die ich mich am längsten erinnern werde. Dieses Wissen möchte ich mir lange bewahren und auch in Zukunft mehr Dankbarkeit für die „kleinen“ Momente zeigen.
Neugier und Lust auf mehr
Last but not least hat das Auslandspraktikum der Abenteurerin in mir wieder neues Feuer gegeben. Ich habe selten so viel und so schnell gelernt wie in den Monaten in Kathmandu – sowohl über mich selbst als auch über Nepal und Asien, den Hinduismus, und und und. Nepal ist nur eines von vielen Ländern, und selbst nach diesen vier Monaten würde ich mir niemals einbilden, es komplett verstanden zu haben. Das wäre auch ein unrealistischer Anspruch. Ein Land auf diese Weise zu entdecken, länger Zeit dort zu verbringen und zu versuchen, möglichst schnell möglichst viel zu begreifen ist trotzdem eine meiner allerliebsten Herausforderungen. Daran hat mich mein Auslandspraktikum noch einmal erinnert. Es hat mich neugierig gemacht auf andere Länder, die mir jetzt genauso fremd sind wie Nepal einst. Es hat mich motiviert, weiter Neues zu lernen und nicht auf der Stelle stehen zu bleiben. Gerade jetzt tut mir dieser Energieschub gut. Er schützt mich vor dem Durchdrehen in der Corona-Isolation in der die nächste Reise unglaublich fern scheint und bewegt mich dazu, das Beste aus der Situation zu machen.
Meine Antwort auf eine der meistgestelltesten Fragen überhaupt könnt ihr euch jetzt wahrscheinlich schon denken. Würde ich ein Auslandspraktikum empfehlen? Ja, ja, ja, auf jeden Fall!