13. Juli 2020
Bozen oder auch Bolzano liegt nur circa 100 km von der österreichischen Grenze entfernt und nahm eine bedeutende Stellung in dem südtiroler Konflikt ein, der hier noch heute zu spüren ist. Was der geschichtliche Hintergrund ist und welche Rolle Walther von der Vogelweide dabei spielte, erfahrt ihr hier.
Südtirol im ersten Weltkrieg
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das zu Österreich-Ungarn gehörende Südtirol Italien zugesprochen. Nur durch diese Versprechung der Alliierten konnte Italien zum Kriegseintritt bewogen werden. Am 10. September 1919 wird die Annektierung des Gebietes südlich des Brenners formell unterzeichnet. Im Folgenden wird in Italien jegliches Deutsche verboten. In den Schulen darf nur auf Italienisch unterrichtet werden und wer sich auf Deutsch unterhält, dem drohen entsprechende Strafen. Gleichzeitig etablieren sich Untergrundschulen, in denen weiterhin auf deutsch unterrichtet wird. Im ganzen Gebiet werden deutsche Beamte entlassen und durch italienische Bürger ersetzt.
Südtirol vor dem Zweiten Weltkrieg
Mussolini und Hitler treffen 1939 eine folgenschwere Entscheidung. Die deutschsprachige Bevölkerung wird vor die Wahl gestellt: Entweder sie nehmen ihre neue italienische Identität an oder sie wandern nach Deutschland aus und lassen jeglichen Besitz in Südtirol zurück. Ein Großteil der Bevölkerung entscheidet sich für das Auswandern, gleichzeitig verhindert das Einsetzen des Zweiten Weltkrieges im September 1939 eine noch größere Völkerwanderung. Circa 75.000 Menschen verlassen Südtirol. In dieser Phase werden die sogenannten „Dableiber“ als Feiglinge geächtet und Familien werden gespalten.
1945 bildet sich die sogenannte SVP (Südtiroler Volkspartei), die für die Selbstbestimmung des Landes steht. Ab 1948 wird den ausgewanderten Südtirolern die Möglichkeit geboten, wieder zurückzukehren in ihre Heimat. Nun sind sie es, die von den Südtirolern geächtet werden. An der Spitze der SVP steht Silvius Magnagno (nach dem hier in Bozen auch einige Straßen benannt sind) und verlangt eine südtiroler Autonomie. 1959 kommt diese Frage dann bis vor die UNO-Vollversammlung.
Feuernacht
Eine weitere denkwürdige Nacht im Juni 1961 zum Fest „Herz Jesu“ (dazu habt ihr vielleicht schon etwas in meinem ersten Instagrampost gelesen – hier auch noch mal verlinkt). Im ganzen Bezirk wurden 37 Strommasten gesprengt, Kasernen sabotiert und Bahnstrecken zerstört. Nun wurde die Welt erstmals auf Südtirol aufmerksam. 94 BAS-Aktivisten wird daraufhin der Prozess gemacht. Die UNO erklärt 1969 Südtirol erstmals für teilweise unabhängig.
In den folgenden Jahren weitet sich die Autonomie weiter aus. So wird als Unterrichtssprache wieder Deutsch gewährt. Uneinig ist man sich nach wie vor nur noch über die Benennung einiger Orte. So gehen manche Namen immer noch auf die faschistischen Namen unter der Führung Mussolinis zurück.
Mehr dazu könnt ihr auch in diesem Artikel lesen.
Als Buchtipp zu dieser Thematik empfehle ich euch „Eva schläft„. Das als Roman gehaltene Buch ist spannend und gibt gleichzeitig auch Einblicke in die damalige, angespannte Situation.
Walther von der Vogelweide
Die Statue steht zentral gelegen auf dem Waltherplatz direkt neben dem Dom von Bozen. Sie wurde 1889 zu Ehren des deutschen Dichters Walther von der Vogelweide errichtet. Einige seiner Zitate findet ihr hier. Auch wenn die Herkunft des Dichters unbekannt ist, wird davon ausgegangen, dass sein Ursprung im heutigen Südtirol liegt.
Nachdem Südtirol nach dem Ersten Weltkrieg Italien zugesprochen wurde, sollte auch das an Deutschland erinnernde Denkmal durch ein Italienisches ersetzt werden. Als Ersatz sollte ein Standbild von Drusus zum Einsatz kommen, der ein römischer Politiker und auch Stiefsohn Augustus war. Nachdem allerdings die „Waltherfrage“ zu einem außenpolitischen Dialog zwischen Deutschland und Italien – Mussolini, Stresemann und Held wurde, wurde die Statue nur auf einen dezentraleren Platz versetzt. Seit 1981 steht sie allerdings wieder auf ihrem ursprünglichen Platz – auf dem Waltherplatz.
Alto adige oggi – Südtirol heute
Die vorherrschende Sprache in Südtirol ist nach wie vor Deutsch. Statistiken zufolge sprechen hier im Durchschnitt 70 % Deutsch, 25 % Italienisch und 5 % Ladinisch. Ladinisch ist eine sehr alte Sprache, die fast nur noch im Val Gardena, im Fassatal und Gröden gesprochen wird. In Bozen hingegen ist das Verhältnis fast genau umgekehrt: Hier sprechen circa 70 Prozent Italienisch und nur 30 Prozent Deutsch. Gleichzeitig sprechen viele der Einwohner hier auch beide Sprachen. Zum Italienisch lernen ist Bozen dementsprechend nicht ideal, aber wenn man es will, dann schafft man das auch hier!
Um auch euer Italienisch aufzubessern, sind hier zum Abschluss noch 20 italienische Wörter, die man in einer Stadt gut gebrauchen kann:
- die Bäckerei – la panetteria
- die Fleischerei – la marcelleria
- die Wohnung – l’appartamento
- die Straße – la strada
- die Kreuzung – l’incrocio
- das Viertel – il quarto
- links/rechts – sinistra/destra
- der Platz – la piazza
- die Kurve – la curva
- der Pflasterstein – il sanpietrino
- die Baustelle – il cantiere
- das Zentrum – il centro
- das Dach – il tetto
- das Auto – la macchina
- das Fahrrad – la bici
- das Fenster – la finestra
- der Laden – il negozio
- der Obststand – la bancarella della frutta
- der frischgepresste Orangensaft – la spremuta (mmhh lecker!)
- lecker – delizioso
Buon divertimento con queste parole (viel Spaß mit diesen Wörtern),
Yannic
CONRADINO
9. September 2024
Francesca Melandri ist so großartig wie Elena Ferrante. In Eva schläft wird großartig die Geschichte Südtirols in einer Rahmenhandlung erzählt, ebenso in Alle, ausser mir wird die italienische Geschichte von der Kolonisierung Abesiniens bis in die Gegenwart erzählt.
Sehr empfehlenswert
Marco
4. August 2020
Das Buch „Eva schläft“ ist sehr gut. Toll, dass du dieses empfiehlst. 🙂 Leider ist die Geschichte von Alto Adige/Südtirol für viele Italiener*innen unbekannt. Diese wird in der Schule nicht so tief behandelt, wie man soll. Zum Italienisch: 19. ist „la spremuta (d’arancia)“. Grazie per i tuoi articoli sempre molto interessanti!
Yannic
5. August 2020
Grazie Marco 🙂 und da habe ich in Restaurants immer das Falsche bestellt 😀 ab jetzt dann immer la spremuta
und ja da hast du schon recht. Die meisten hier wissen von der wilden Vergangenheit wenig. Kommst du denn aus Sued Tirol?
Marco
7. August 2020
Nein, ich habe mich aber aus Interesse mit diesem Teil der Geschichte Europas beschäftigt. Es gibt viele Regionen auf dem Kontinent, die leider Mehrsprachigkeit und interkulturelles Leben wegen des einen oder anderen Nationalismus verloren haben…
Es freut mich, dass du jetzt richtig bestellen kann. 🙂
Oha
14. Juli 2020
Die Absprache der Alliierten fand während des Krieges statt, oder? Haste das Buch Eva schläft gelesen? Immer sehr spannend deine Artikel.
Yannic
5. August 2020
Ich bin gerade auf Seite 324 und mir fehlen gar nicht mehr viele Seiten 🙂 Hast du es denn auch gelesen?
Ja genau, so konnte Italien meines Wissens im ersten Weltkrieg erst zum Kriegseintritt gebracht werden.
uuund Danke dir