6. Januar 2020
Es hat sich angefühlt wie in einem Computerspiel oder sogar Kriegsfilm, als in der halben Innenstadt von Barcelona Feuer gelegt wurden, die Rauchschwaden aufstiegen, Sirenen den Großstadtlärm übertönten und der Helikopter am Nachthimmel schwirrte. Einige Wochen später steht man an derselben Stelle und sieht die wohl schönste Weihnachtsbeleuchtung seines Lebens und fragt sich, ob das Alles wirklich passiert ist.
Hintergrund
Die Demonstrationen von Barcelona waren in aller Munde. Eine Reaktion auf die vom obersten Gerichtshof verhängten Haftstrafen gegen Politiker und Aktivisten, für ihre Unterstützung des illegalen Abhängigkeitsreferendum 2017. Ich möchte politisch keine Stellung beziehen, da ich hierfür zu kurz in Barcelona gelebt habe und auch nicht in dieser Ideologie aufgewachsen bin. Dennoch möchte man als Außenstehender meinen, dass sich hierfür wohl eine Lösung finden müsste. Ein gemeinschaftliches Spanien, bei gleichzeitigem Respekt für katalanische Tradition und geschichtliche Hintergründe, scheint bei fehlender Kompromissbereitschaft momentan jedoch weit entfernt. Der Zeitfaktor spielt eine wichtige Rolle. Die Vorstellung eines unabhängiges Kataloniens ist nun tief verankert. Demonstrationen wie diese wirken auch nicht deeskalierend.
Demonstrationen
Dieses Bild ist am Sonntag, den 18.Oktober, direkt am Plaça Catalunya entstanden. Überall in der Innenstadt verteilt wurden Feuer gelegt, Mülltonnen und Reifen angezündet. Der Hubschrauber beflog die Zone permanent und gab funkte wohl der Mossos d’Esquadra, die Polizei von Barcelona, die Lokalisation eines neuen Ausbruchs. Daraufhin umzingelten die Bodentruppen die Straße und näherte sich der Feuerstelle, in der Hoffnung, die Übeltäter zu erwischen. Auch Gummigeschosse kamen überhäuft zum Einsatz. Der Hauptteil der tagsüber weitestgehend friedlichen Demonstration dauerte ungefähr eine Woche. Sirenen hörte man jedoch auch in der Folgewoche noch ohne Unterbrechung. Die Verantwortlichen schreckten auch vor Randalen und Zerstörung von zum Beispiel Bushaltestellen nicht zurück. Schließlich muss man sagen, dass auch die Polizei zunehmend genervt von der Situation war und subjektiv gesehen und im Verlauf radikaler zu Werke ging.
Im Anschluss folgten Demonstrationen der Studierenden gegen die politische Situation vor dem Hauptgebäude. Am Plaça de la Universitat wurde gezeltet, teilweise fielen die Vorlesungen aus, die gesamte Straße war zwei Wochen blockiert. Letztendlich hat sich die Situation nicht geklärt, jedoch hat Zeit etwas Gras über die Wunden wachsen lassen und Normalität kehrte zurück. An dieser Stelle muss noch gesagt werden, dass Barcelona aufgrund seines Charakters als Touristenmetropole und Hauptstadt Kataloniens, auch viele Spanier anzieht. Da diese patriotisch veranlagt sind, trügt der Schein. Das Verhältnis von Befürwortern zu Gegnern der Unabhängigkeitsbewegung scheint nämlich hier eher ausgeglichen.
Ausblick
6 Wochen später steht man an gleicher Stelle und bewundert die schönste Weihnachtsbeleuchtung von Barcelona und womöglich ganz Spanien. Am Passeig de Gràcia funkeln leuchtende Schmetterlinge entlang der Allee. Die vergangenen Ereignisse scheinen erstmal vergessen. Weihnachten steht vor der Tür.
Auch wenn der Konflikt noch nicht behoben ist, kann man sich nur wünschen, dass die gemeinschaftliche weihnachtliche Atmosphäre auch im neuen Jahr beibehalten wird und derartige Ereignisse sich nicht wiederholen.