2. März 2016
Der harte Kampf um ein redaktionelles Praktikum im Ausland und wie ich die deutsche Bürokratie zu schätzen lernte.
Ich studiere im vierten Semester Europäische Kulturwissenschaften an der Europa-Universität Viadrina. Um meinen Abschluss zu machen, muss ich ins Ausland. Entweder macht man ein Auslandssemester oder absolviert ein mindestens dreimonatiges Praktikum außerhalb Deutschlands. Für mich stand von vornherein fest, dass ich ein Praktikum machen will. Mit meinem Studium kann man fast alles machen: Politikberatung, Verlagswesen, Pressestelle, Kulturmanagement und vieles mehr. Da ich Journalistin werden will, habe ich mich nach einem redaktionellen Praktikum umgeschaut. Es ist schon recht schwer einen der hart umkämpften Plätze in deutschen Redaktionen zu ergattern, doch im Ausland, ist es fast unmöglich.
Vor gut einem Dreivierteljahr begann ich, mögliche Praktikumsgeber anzuschreiben. Im Prinzip war es mir egal, wo es hingeht. Ich wollte einfach nur raus und erfahren wie es ist, aus und über ein mir noch fremdes Land zu berichten. Am liebsten wäre mir das englischsprachige Ausland gewesen, dort hätte ich das Schreiben englischer Artikel perfektionieren können. Ich war mir bewusst, dass es sehr schwer sein wird, in diesem Bereich als Nicht-Muttersprachler eine Stelle zu bekommen, obwohl mein Englisch sehr gut ist. Aber hey – versuchen kann man es ja.
Das Erste, was ich erfahren habe:
- Nicht klein kriegen lassen! Jeder fragt im erstaunten verständnislosen Tonfall: „Also Sie wollen bei uns ein Praktikum machen, obwohl sie aus Deutschland kommen … ?“
- Initiativbewerbungen werden besonders in Großbritannien und Irland nicht gern gesehen und meistens nicht beachtet. „Bitte bewerben Sie sich auf eine richtige Stelle. Die Ausschreibungen für das nächste Jahr beginnen in drei Monaten.“
- Apropos Fristen und Ausschreibungen. Viele Zeitungen schalten die Bewerbungsportale erste zwei Monate vor Praktikumsbeginn frei, ein paar wenige schließen sie bereits ein halbes Jahr vorher. Das heißt, dass man sehr flexibel und kurzfristig reagieren muss. Gerade, wenn man sich auf ein Stipendium bewerben muss, ist eine kurzfristige Planung allerdings sehr schwer.
- Die deutsche geordnete und recht zügige Bürokratie, die gibt es halt nur in Deutschland. Wenn man endlich einen Praktikumsplatz ergattert hat, heißt es nicht, dass man den Papierkram innerhalb von ein oder zwei Wochen geregelt hat. Ich hatte eine Zusage in Kanada, doch bis sie es geschafft hatten, alles mit der Rechtsabteilung zu klären und mir den Vertrag zuzuschicken, war die Frist fürs Visum bereits abgelaufen. Da der Zeitraum, in dem ich ins Ausland gehe, nicht flexibel ist, musste ich diesen fantastischen Platz wieder absagen.
- Eine mündliche Zusage ist keine schriftliche. In Brüssel sagte man mir im Anschluss ans Vorstellungsgespräch zu. Dann erreichte ich nie wieder jemanden und niemand meldete sich bis zum heutigen Tage bei mir. Das Gespräch war Ende November …
- Nicht alle Mails, die man ins Ausland schickt, kommen im Ausland an. Besonders in den Balkangegenden hatte ich damit viele Probleme. So auch mit meiner derzeitigen Redaktion. Ein Glück kennen sie dieses Phänomen und haben viel Geduld und Nachsicht – das ist nicht selbstverständlich.
Letztendlich bin ich bei einer Wochenzeitung in Budapest gelandet und bin vollkommen glücklich. Die Budapester Zeitung hat eine Auflage von gut 150.000. Für eine deutschsprachige Zeitung im Ausland ist das ganz schön beachtlich. Ich hoffe, dass ich auch die Chance bekommen werde für ihre Schwester, der Budapest Times, Artikel zu verfassen. Durch die Sprachbarriere werde ich primär für den Kulturteil der Stadt zuständig sein. Das heißt viel draußen sein, das Stadtleben und die Gesellschaft erkunden. In der Redaktion trifft man sich nur gut zwei Mal in der Woche. Auch das ist für mich neu. Ich werde so selbstständig wie noch nie arbeiten, viel unterwegs sein und so Land und Leute kennen lernen.
Eine weitere Kultur Europas kennenlernen
Noch beschränkt sich mein Ungarisch auf die grundlegenden Wörter. Ich lerne fleißig, aber wenn man weiß, dass Ungarisch so schwer wie Arabisch ist, kann man sich vorstellen, was für eine Herausforderung es ist. Eine Herausforderung wird Ungarn sicherlich auf mehreren Ebenen, aber ich freue mich mit ganzem Herzen auf die neuen Erfahrungen. Bis hier her war es ein langer nervenaufreibender Weg, doch ich bin froh, dass es nun bald losgeht und freue mich, eine weitere Kultur Europas kennen zu lernen.