16. März 2022
Im Ausland habe ich Vorlesungen im Common Law besucht und am internationalen Willem C. Vis Moot Wettbewerb teilgenommen. Für Nachwuchsjuristen bietet der Einblick in den anglo-amerikanischen Rechtskreis und die Partizipation an einem Moot Court einen praktischen Mehrwert, der weit über die normale juristische Ausbildung hinausreicht.
In the Moot for a semester abroad?
Der Gang ins Ausland ist für Jura-Studierende zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Studium möglich (einen Überblick dazu findet ihr weiter unten). Ich habe mich für ein Auslandsemester im siebten Semester – also nach der Absolvierung des Schwerpunktstudiums – entschieden. Im Ausland habe ich sowohl Vorlesungen im Common Law besucht als auch ein irisches Moot Court Team gecoacht.
Was ist ein Moot Court?
Ein Moot Court ist eine simulierte Gerichtsverhandlung zwecks der juristischen Ausbildung. Den Studierenden wird ein fiktiver Fall ausgeteilt, in dem sie abwechselnd eine der Prozessparteien zu vertreten haben. Auf diese Art und Weise haben die Teilnehmenden die Chance bereits während des Studiums in die Rolle eines Anwalts zu schlüpfen. Der Fall wird im Team gemeinsam bearbeitet, bevor ein anwaltlicher Schriftsatz verfasst wird, der dann wiederum in ein mündliches Plädoyer gewandet wird. Das Plädoyer bewerten Praktiker und Akademiker aus dem betreffenden Rechtsgebiet. Ausgetragen werden die Moot Court Wettbewerbe – ähnlich wie Fußballweltmeisterschaften – zunächst in Gruppen- und dann einer K.O.-Phase.
Quelle: Vgl. Pröstler, Willem C. Vis Moot – mehr als ein Studentenwettbewerb, SchiedsVZ 2014, 248; Strecker/Euler, Moot Court Competitions: Alle Fakten im Überblick, beck-stellenmarkt.de
Parallel zu meinem Schwerpunktstudium im fünften und sechsten Semester habe ich im Team der Humboldt-Universität an einem internationalen Moot Court teilgenommen. Die weltweit größten Moot Courts sind der Philip C. Jessup Moot Court im Völkerrecht und der Willem C. Vis International Commercial Arbitration Moot Court im internationalen Zivilrecht. Ich habe mich aufgrund des Rechtsgebiets für den Vis Moot entschieden. Einen Überblick darüber, welche Moot Courts es – national wie international – gibt, findet ihr hier.
Die Teilnahme an einem internationalen Moot Court war für mich eine enorme akademische und persönliche Bereicherung. Dazu hat sowohl die intensive Auseinandersetzung und Arbeit in der englischen Fachsprache beigetragen als auch die starke Zusammenarbeit in einem Team. Als Mootie – so die Bezeichnung für die teilnehmenden Studierenden – erlernt man praxisnah einen anwaltlichen Schriftsatz zu verfassen, ein Plädoyer überzeugend zu gestalten und über einen langen Zeitraum kontinuierlich an einem Projekt zu arbeiten.
Nach meiner Teilnahme am Moot Court habe ich mich entschieden im darauffolgenden Jahr ein Team zu coachen – in Irland. Ersteres ist noch keine Besonderheit, während letzteres wohl eher die Ausnahme sein dürfte. Die meisten Teams werden von Coaches angeleitet, die selbst einmal zuvor an dem Moot Court teilgenommen haben. Als ehemalige Teilnehmer:innen besitzen sie Vorkenntnisse in dem Rechtsgebiet und bringen Erfahrungen über den Ablauf des Moot Court mit. Mich hat die Möglichkeit im Ausland für ein Moot Team Mitverantwortung zu übernehmen aus verschiedenen Gründen gereizt. Einerseits konnte ich so mit dem Wettbewerb in Verbindung bleiben und andererseits konnte ich mich so der neuen Herausforderung stellen, mein Wissen und meine Erfahrung an ein Team von ausländischen Studierenden weiterzugeben.
Die Verantwortlichen am University College in Dublin waren glücklicherweise meinem Vorschlag gegenüber sehr aufgeschlossen, sodass ich während meines Auslandssemesters gemeinsam mit drei irischen Coaches, die jeweils in den Vorjahren für das UCD am Wettbewerb teilgenommen hatten, den neuen Jahrgang an Mooties anleiten durfte. So durfte ich in Irland den Perspektivwechsel zum Coach vorziehen und das neue Team bei der Schriftsatzphase mit Feedback und Instruktionen an- und begleiten; gleichzeitig kommen für einen Coach neue Aufgaben hinzu. Es gehört dazu den Team-Spirit im Auge zu behalten oder auch administrative Tätigkeiten zu übernehmen. Eine große Bereicherung für mich war auch das Miteinander, die gemeinsame Teamleitung und der enge Austausch mit meinen irischen Co-Coaches. Viele Erfahrungen über das irische Rechtssystem und die Berufsausbildung habe ich hier aus erster Hand erhalten. Durch meine Tätigkeit als Coach habe ich also viele Einblicke in das Land und das Rechtswesen erhalten, die mir ansonsten verwehrt geblieben wären.
Anrechenbarkeit
Mein Engagement im Moot Court Team war sowohl in Deutschland als auch in Irland jeweils freiwillig und eine Tätigkeit zusätzlich zum Studium. Lohnend ist eine Teilnahme meines Erachtens dennoch. Ich konnte so ein neues und praxisrelevantes Rechtsgebiet kennenlernen, mein juristisches Grundhandwerkszeug (Strukturierung und Recherche eines Schriftsatzes) schulen und neue, interessierte Studierende aus aller Welt kennenlernen.
In Irland wurde die Teilnahme am Moot Court als Master-Kurs gewertet. Somit kann die Teilnahme an einem Moot Court auch im Rahmen eines Masterstudiums im Ausland interessant sein, da in diesem Fall eine Anrechnung als Studienleistung möglich ist.
Zu welchem Zeitpunkt im Studium am besten in Ausland?
Jura-Studierende können verschiedene Möglichkeiten wahrnehmen, um ein Studium im Ausland aufzunehmen – sei es im Rahmen des ERASMUS-Programms oder im außereuropäischen Ausland.
Noch vor der Prüfung des Ersten Staatsexamens ist es – abhängig vom Angebot der Heimatfakultät – möglich, sein Schwerpunktstudium (typischerweise im fünften und sechsten Semester) im Ausland zu absolvieren. Dabei wird im Rahmen eines einjährigen Auslandsaufenthalts studienbegleitend die juristische Schwerpunktprüfung, deren Ergebnis zu 30% in die Abschlussnote der ersten juristischen Prüfung eingeht, an einer Partneruniversität im Ausland abgelegt. Art und Umfang der vor Ort belegbaren Module variieren hierbei abhängig von den Bedingungen der Heimatuniversität und dem Angebot der ausländischen Partneruniversität. Ihr fragt euch, ob eine Erasmus-Förderung möglich ist? Die Antwort: ja.
Schwerpunkt
Das Schwerpunktstudium dauert zwei Semester und folgt auf die ersten beiden Jahre Grund- bzw. Hauptstudium. Es dient der Festigung und Vertiefung des Studiums; insbesondere bietet es die Möglichkeit sich während des Studiums zu spezialisieren. Die einzelnen Schwerpunktmodule unterscheiden sich von Universität zu Universität, es werden jedoch regelmäßig Veranstaltungen aus allen drei großen Teilrechtsgebieten des deutschen Rechts (Zivilrecht, Strafrecht und Öffentliches Recht) angeboten.
Auslandsaufenthalt im siebten bzw. achten Semester – nach dem Schwerpunkt
Eine weitere Möglichkeit ist es, noch vor dem Ersten Staatsexamen (und auch dem Repetitorium), aber nach dem Schwerpunktstudium ins Ausland zu gehen. Im siebten und/oder achten Semester kann im Rahmen des Austauschprogramms Erasmus+ ein akademischer Auslandsaufenthalt innerhalb Europas von bis zu einem Jahr gefördert werden. Ebenfalls denkbar ist ein Auslandssemester außerhalb Europas, wenn eine entsprechende Kooperation der Fakultät oder der Hochschule besteht. Ein Auslandsaufenthalt kann auch in „Eigenregie“ umgesetzt werden. In diesem Fall müsst ihr bedenken, dass ihr die Finanzierung sowohl der Studiengebühren als auch der Reisekosten in voller Höhe eigenständig organisieren müsst.
Masterstudium im Ausland
Für Studierende, die das Erste Staatsexamen bereits bestanden haben, kommt ein Masterstudium im Ausland in Betracht. Eine solche Zusatzqualifikation erfreut sich zunehmender Wertschätzung durch Arbeitgeber. Insbesondere international arbeitende Unternehmen und Kanzleien schätzen internationale Erfahrungen und Kenntnisse. Interessen:tinnen haben zunehmend mehr Auswahlmöglichkeiten, zentrale Kriterien sind neben dem inhaltlichen Schwerpunkt des jeweiligen Programms die Qualität und Reputation der Universität, der genaue Zeitpunkt des Studiums und die Finanzierung. Der Zeitaufwand für ein LL.M.-Programm beträgt typischerweise ein Jahr. Anders als bei einer Promotion führen Studiengebühren im Ausland zu einem relativ hohen finanziellen Aufwand, wohingegen die Gefahr bei einem LL.M. zu scheitern im Vergleich zu einer Promotion tendenziell geringer eingestuft werden darf. Eine frühzeitige Beschäftigung mit dem Thema LL.M.-Abschluss im Ausland lohnt sich, da Bewerbung und Vorbereitung mitunter zeitaufwendig sind.
Ein kompakter Überblick über LL.M.-Programme findet ihr unter llm-guide.com.
Teils gibt es auch, wie an der Humboldt-Universität zu Berlin im Rahmen der European Law School (ELS), Studiengänge, die eine grenzüberschreitende Ausbildung samt Staatsexamen und zwei Masterabschlüsse anbieten.