5. Juni 2020
Kalte Winter mit wenig Licht, eine unvertraute Sprache und die abgeschiedene Lage – ein Studium in Nordfinnland ist bestimmt nicht für jeden etwas. In den letzten fast 11 Monaten in Rovaniemi hatte ich Zeit, das genauer zu ergründen und möchte jetzt gerne meine Erfahrungen an alle weitergeben, die mit dem Gedanken spielen in Lappland (oder allgemein in einer finnischen Stadt, die nicht Helsinki ist) zu studieren.
Wenn ihr die folgenden Punkte mit „Ja, ja, ja, das klingt sooo nach mir!!“ beantworten könnt, dann auf – sofort bewerben und nach Lappland ziehen!
Du solltest in Lappland studieren, wenn…
…du extrovertiert bist
Finnen sind sehr zurückhaltend und befürchten stets zu stören. Deshalb ist es mitunter schwer mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Selbst ein extrovertierter Mensch zu sein, der gerne einfach andere anquatscht kann da helfen. Aber keine Angst, wenn du das nicht so gerne machst, denn natürlich sind nicht alle Finnen gleich. Viele werden bestimmt gleich ganz aufgeregt erzählen, dass ihre Mutter 1982 eine Brieffreundin und Kiel hatte und fragen, ob du da denn schon mal warst, wenn sie herausfinden, dass du aus Deutschland kommst. Als Austauschstudent wirst du außerdem ohnehin von vielen Leuten aus allen möglichen Ländern umgeben sein.
…du geduldig bist
Wer nach Finnland kommt möchte ja aber auch Finnen kennenlerne. Da musst du nicht nur oft die Initiative ergreifen, sondern auch bereit sein viel Zeit zu investieren. Man sagt es dauert lange, eine Freundschaft zu einem Finnen aufzubauen, aber dann hat man einen Freund fürs Leben. Dabei gibt es auch einige Unterschiede im Prozess des „Freundewerdens“. Hier ist es zum Beispiel nicht üblich neue Freunde schon nach wenigen Treffen oder gar zum allerersten Treffen in die eigene Wohnung einzuladen. Bis zu diesem Schritt vergehen oft lange Wochen des Anpirschens mit Cafébesuchen, gemeinsamen Essen in der Mensa, Picknick im Park, Langlauftreffen und ähnlichem. Ich denke es ist wahrscheinlicher, dass ein Finne, den du flüchtig kennst, mit dir in eine öffentliche Sauna gehen würde, als dich auf einen Kaffee nach Hause einzuladen.
…du ein echter Winterfreak bist
Temperaturen bis Minus 30 Grad sind im Winter auch mehrere Tage am Stück möglich, in Norden Lapplands Standard. Wer schon im deutschen Winter schnell friert sollte sich zweimal überlegen, ob er hierherkommen möchte. Der Schnee dominiert zudem alle Aktivitäten: Langlaufen, Eishockey und Skifahren stehen auf dem Programm. Wanderungen müssen teilweise mit Schneeschuhen durchgeführt werden. Aber auch wenn ihr noch keine Profis seid, aber Lust habt neues auszuprobieren, ist Lappland der richtige Ort dazu. Denn Schnee ist garantiert, die Berge nicht all zu hoch und Touren auch für Anfänger nicht so gefährlich, wie im Hochgebirge. Angebote, um in die Wintersportarten hineinzuschnuppern gibt es zudem wie Sand am Meer. Vieles kann man auch einfach auf eigene Faust ausprobieren, wie Langlaufen oder Schlittschuhfahren.
…du die Natur liebst
Ich möchte offen und ehrlich mit euch sein: Städtemäßig ist hier echt nichts los. Klar gibt es ein paar nette Cafés und Lokale, ein paar authentische Läden, einige lokale Künstler und bestimmt gibt es auch eine kleine Subkultur. Aber wer ständigen Trubel, die Qual der Wahl aus hunderten Veranstaltungen täglich und volle U-Bahnen abgöttisch liebt, der wird hier schnell gelangweilt sein. Jedoch! Wer sich vorstellen kann im Wald auf einer Lichtung steht und einfach nur den Vögeln zuzuhören, wer schon immer mal 100 km durch Wälder und Sumpfgebiete wandern wollte und wer die versteckte Schönheit in Funktionskleidung entdecken will – der, wird hier glücklich werden.
Und selbst wenn das alles nicht auf dich zutrifft, aber du Lust auf eine Herausforderung und einen ganz besonderen Studienort hast, dann ist Rovaniemi vielleicht der richtige Ort für dich!