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Wieso, weshalb, warum gerade Tripoli?


Tripoli. Ungläubige Gesichter von LibanesInnen, verwirrte Gesichter von Deutschen. Warum ich mich nach zehn Monaten in Beirut entschied, noch einen Monat in Libanons nördlichster Stadt zu verbringen.

Beirut und Tripoli

Tripoli und Beirut

Egal wem ich zu Hause erzählte ich würde in Beirut studieren (Berichte über mein Studium Beirut und mein Studium dort findet ihr hier), die Reaktionen waren meist zweigeteilt. ‚Mensch, der Libanon soll ja total schön sein, aber im Moment?‘ – die Terrorangst hatte auch vor meinem Umfeld nicht Halt gemacht und Begriffe wie Bürgerkrieg, Syrienkrise und Hisbollah sind direkte Begleiter des Bildes vom ‚Paris-des-Nahen-Ostens‘ aus der Zeit vor 1970. ‚Und im August also Tripoli‘ – so gingen die Gespräche nach meiner Rückkehr im Juni meist weiter, wobei viele bei Tripoli erstmal an Tripolis und bei Libanon demnach an Libyen dachten. Interessanterweise waren die Reaktionen der Menschen bei Richtigstellung (nein, ich gehe nicht nach Nordafrika, sondern in den Libanon, L-I-B-A-N-O-N) keine wesentlich anderen. Auf der ‚Das ist aber mutig und irgendwie verrückt‘-Skala scheinen Libanon und Libyen beide ähnlich weit oben zu liegen, der Tatsache trotzend, dass letzteres Land mehr und mehr im politischen Chaos versinkt, ersteres dagegen recht stabil ist.

Nachdem ich meine Zeit in Beirut beendet hatte und entschied, mich für ein Praktikum und einen damit zusammenhängenden Sprachkurs in Tripoli zu bewerben, kamen zu den Reaktionen in meinem deutschen Umfeld ungläubige Nachfragen meiner Beiruter Bekannten hinzu. Tripoli, das sind für sie Straßenkämpfe, die im Zusammenhang mit der Syrienkrise über Jahre hinweg zwischen einem sunnitischen und einem alawitischen Vierteln ausgetragen wurden, das ist für sie Rekrutierung von IS-Kämpfern und eine vorrangig arme und konservative Gesellschaft. ‚Wenn wir uns dann nächstes Wochenende wiedersehen‘, versuchte ich am Montag meiner Weiterreise nach Tripoli mit Beiruter Bekannten zu scherzen, die mich nur trocken zurückfragten, ob ich das lustig fände.

Nein, lustig finde ich das eigentlich nicht. Aber ich habe mich trotzdem bewusst dagegen entschieden, erneut in Libanons kosmopolitischer Metropole zu leben. Ich habe meine Zeit in Beirut genossen, keine Frage, und das Tripoli keine Elektroclubs oder alternative Musikfestivals zu bieten hat, war mir bewusst. Genau deshalb wollte ich das Leben genauer kennenlernen und herausfinden: Wieviel ist dran an dem Bild vieler Beiruter über Tripoli, immerhin Libanons zweitgrößte Stadt. Ich will mehr herausfinden über den Konflikt, der Triopli jahrelang in seiner Gewalt hielt, mehr über die wechselhafte Geschichte der letzten Jahrhunderte lernen. Denn ich finde, der Libanon hat mehr zu bieten als eine tolle, interessante und herausfordernde Hauptstadt.

Das Levantine Institute of Tripoli

Straße in Tripoli
Typische Straßenszene in Tripoli

Die Auswirkungen des syrischen Bürgerkriegs auf den Libanon waren bereits während meines vorherigen Studienaufenthalts in Beirut ein stets präsentes Thema. Die sogenannte Flüchtlingskrise ist eines jener Themen, die die zehner Jahre des zweiten Jahrtausends maßgeblich mitbestimmten, bei uns in Europa wie im Libanon. Libanon, davon gehen realistische Schätzungen aus, nahm seit Beginn der Syrienkrise circa drei Millionen Flüchtlinge aus dem Nachbarland auf, obwohl das Land selbst nur gut vier Millionen Einwohner hat. Allein an dieser Zahl wird deutlich, wie die Syrienkrise den Libanon prägt. Viele Begegnungen der letzten Monate haben mir im Bezug auf Flucht und Migration neue Perspektiven eröffnet. Ich habe mit religiösen Autoritäten gesprochen, die die massenhafte Emigration aus der Region mit großer Sorge betrachten. Ich habe Ressentiments gegenüber Syrerinnen erlebt, aber auch über ihren Ursprung erfahren können. Häufig wurde dabei die Situation der aufnehmenden Gesellschaft vor Ort und die Perspektive von uns Studierenden aus dem westlichen Kontext miteinander in Beziehung gesetzt. Diesen Erlebnissen der letzten zehn Monate möchte ich ein weiteres Puzzlestück hinzufügen: Die Perspektive der Betroffenen.

Tripoli liegt ganz im Norden des Landes und damit nah an der syrischen Grenze. Seit Beginn der Krise ist die Stadt häufig erste Anlaufstelle für flüchtende Familien. Zusammen mit der Weltbank und den Vereinten Nationen entwickelte die libanesische Regierung das sogenannte ‚Back to school‘-Projekt, das syrischen Flüchtlingskindern einen Zugang zum Bildungssystem in Libanon ermöglicht. Das Levantine Institute of Tripoli, an dem ich ein Praktikum absolvieren werde, ist ein soziales Start-Up, dass sich in dem Kontext von flüchtenden syrischen und aufnehmenden libanesischen Familien bewegt. Dabei unterhält es einerseits eine Schule für ausländische Sprachlernende und unterstützt zudem Kinder aus syrischen oder marginalisierten libanesischen Familien mit Nachhilfeprogrammen auf Englisch und Französisch.

Die Abreise

Reiserucksack mit Inhalt
What’s in my bag – Packen für Tripoli

Das Praktikum beim Levantine Institute of Tripoli hatte ich schon zu meiner Zeit in Beirut organisiert. Einen guten Monat zu Hause, dann ging es für mich wieder los in Richtung Libanon. Da ich flexibel, ergo, nicht mit zu viel Gepäck, unterwegs sein wollte, entschied ich nur mit einem Rucksack zu reisen. Praktisch dabei, selbst nachts fällt die Temperatur nicht unter 29 Grad, die Jacke ist somit gleich zu Hause geblieben. Ansonsten habe ich versucht, eine Mischung aus langen und kurzen Sachen zusammenzustellen: In Tripoli ist es nicht üblich weniger als knielange Kleider, kurze Hosen, oder schulterfrei zu tragen. Das Beiruter Leben dagegen erlaubt all das in den meisten Gegenden. Ansonsten ist meine Libanonkarte dabei, die mir gerade in von Google Maps weniger erschlossenen Gebieten schon gute Dienste geleistet hat, Lesestoff, Sandalen,… das Übliche. Die ersten beiden Tage nach meiner Ankunft habe ich bei Freunden in Beirut verbracht, die mich vom Flughafen abgeholt und gleich zur ersten Party mitgenommen haben (dass ich dem mit einer Ankunft um 23 Uhr nicht entgehen kann, hätte ich mir eigentlich denken können).

Wie sich die ersten Tage in Tripoli anfühlen und was das Leben von dem Zuhause und dem in Beirut unterscheidet, darüber bald mehr.

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