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Wintertagebuch 4: Polarnachtfazit


Der finale Teil des Wintertagebuchs. Egal ob finnische Kommilitonen, Freunde und Familie von zuhause oder Leute auf Instagram, eine Frage drängt sich allen auf: Wie geht es dir mit der Dunkelheit? Das ist eine gute Frage, auf die ich selbst zu Beginn des Winters gespannt war. Deshalb habe ich beschlossen, ein Wintertagebuch zu schreiben. Wie wird sich meine Sicht auf den Winter und das Leben verändern, wenn die Tage jede Woche um ca. 20 Minuten kürzer werden? Du hast die ersten drei Teile noch gar nicht gelesen? Dann gehts hier zum ersten Teil!

10.12.2019, -15 Grad

Bei Neuschnee und klirrender Kälte starte ich in diesen Tag. Der Himmel ist fast wolkenlos und die Sonne kann ihre magischen Winterhimmelschauspiele aufführen. Die Reisegruppe, die ich für zwei Tage begleitet habe, scheint mich zu mögen. Alles läuft nahezu problemlos ab. Fast zu schön, um wahr zu sein.

11.12.2019, -5 Grad

Es ist 12 Uhr, der Himmel grau und gerade bricht ein kleiner Schneesturm los. Ich habe frei, weiß aber, dass ich noch Hausarbeiten schreiben muss, doch die Motivation, die ist irgendwo draußen im grauen Wolkenmeer versunken. Es ist ein Auf und Ab. Scheint die Sonne, ist alles prima, auch wenn es nur ein paar Stunden sind. Scheint die Sonne nicht, dann ist alles grau und auch die Stimmung ist irgendwo im Keller.

Nachtrag: Habe das Haus verlassen und musste feststellen, dass der Schneesturm den absolut besten Schnee, den ich jemals gesehen habe, mit sich gebracht hat. So schön, so pulvrig und durch den Wind bilden sich an manchen Stellen richtig hohe Schneehügel! So schön!

12.12.2019, 2 Grad

Es regnet. Auf den schönen Schnee. Schnief…

13.12.2019, -2 Grad

Nachdem der Weihnachtsmarkt im Stadtzentrum so ein Reinfall war, besuche ich mit einer Freundin die „Arktischen Markttage“ im Museum „Arktikum“. Der Markt ist klein, aber fein und es gibt viele tolle Produkte von lokalen Herstellern oder strickenden Omis und ich möchte sie alle kaufen. Die Produkte, nicht die Omis. Letztlich decke ich mich mit Weihnachtsgeschenken ein und gönne mir selbst ein Stück Haarseife.

14.12.2019, 0 Grad

Und wieder ins Elfenkostüm. Die Sonne zeigt sich immer noch nicht so richtig, aber so lange man was zu tun hat ist es halb so wild. Der Tag ist lang und stressig und beinhaltet drei Stunden lang vor einer Eisgalerie Thermoumhänge auf und abzuhängen. Das tägliche Workout ist hiermit abgeschlossen.

16.12.2019, -3 Grad

Nochmal einmal Elfe sein, dann habe ich wieder zwei Tage frei. Ich erzähle Touristen von -15, -20 Grad, die wir hier durchaus bekommen. Tatsächlich kann ich mich aber kaum noch erinnern, wann es zuletzt so kalt war. Gefühlt seit Wochen liegen die Temperaturen um den Gefrierpunkt, es schneit, dann kommt Regen, dann das Eis und dann wieder von vorne. Der Winter ist bei weitem nicht so dramatisch wie erwartet. Leider auch nicht so schön. Denn die richtig kalten Tage sind die schönsten. Ich vermute mal der Klimawandel macht sich auch hier bemerkbar.

21.12.2019, -4 Grad

Der Dezember ist wie im Flug vergangen. Heute bin ich das letzte Mal als Elfe unterwegs. Als ich das Kostüm zurück zu den anderen hänge bin ich tatsächlich ein bisschen sentimental. Aber auch froh, denn der Job war ziemlich stressig. Andererseits bis ich dankbar für die Elfentage, denn an diesen Tagen habe ich meist komplett vergessen, dass die Sonne nicht scheint. Die Tage hatten Struktur, ich musste zu bestimmten Zeiten an bestimmten Orten sein und hatte immer so viel um die Ohren, dass ich gar keine Zeit hatte, an die Dunkelheit zu denken. Wenn ich zu Hause oder in der Bibliothek sitze und mich selbst dazu aufraffen muss etwas zu tun, dann kreisen die Gedanken viel eher um die permanente Dunkelheit.

22.12.2019, -1 Grad

Ich sitze im Zug Richtung Süden, draußen zieht die schneebedeckte Landschaft vorbei. Heute ist der kürzeste Tag des Jahres bzw. die Polarnacht. Und es ist ein toller Tag. Klar es ist dunkel, aber das ist es doch jeden Tag. Die Polarnacht markiert für mich, dass es wieder bergauf geht, dass die Tage wieder länger werden. Außerdem ist bald Weihnachten und ich werde Silvester zu Hause feiern.

Fazit?

Ich möchte die Polarnacht, den Wendepunkt, nutzen, um ein Fazit zu ziehen: So lange man etwas zu tun hat, Struktur im Tag hat, Termine hat, denkt man nicht über die Dunkelheit nach. Ich habe natürlich keine Vergleichsstudie mit einer Vergleichs-Tina, die in einem sonnenreicheren Gebiet den Winter verbracht hat. Deshalb sind alle meine Einschätzungen natürlich höchst unwissenschaftlich und subjektiv. Meiner Ansicht nach ist das stärkste Symptom Müdigkeit. Und wenn man mehrere Tage am Stück müde ist, wird man natürlich auch gereizt, hat keine Lust für die Uni zu arbeiten und schaut täglich acht Folgen einer Sitcom an. Im Großen und Ganzen ist der Winter aber ok, vorausgesetzt man achtet etwas auf sich.

Was hilft?

Meine besten Mittel gegen Winterblues sind: ausreichend Schlaf, jede Menge Zeit an der frischen Luft verbringen, strukturierte Tage, sofort das Haus verlassen, wenn sich die Sonne mal zeigt und begeistert in den Horizont starren und natürlich Thunfischsalat. Auf Brot, mit Kartoffeln, mit Nudeln, ich habe noch nie so viel Thunfisch in so kurzer Zeit gegessen.

Für mich ist der Winter natürlich noch nicht vorbei, mein Tagebuch möchte ich aber an dieser Stelle beenden. Der Winter war bisher weniger dramatisch, als man denken mag. Manchmal habe ich sogar tagelang vergessen, mein Tagebuch fortzusetzen, so unspektakulär war das manchmal. Also hier die Antwort an alle, die mich gefragt haben „Wie geht es dir mit der Dunkelheit?“: Joa. Passt schon. 🙂

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