15. November 2021
Ich wurde im Laufe der Jahre immer gefragt, was ich denn mit Politikwissenschaft später mache. Daher möchte ich hier einen Einblick in meine vielfältigen Möglichkeiten geben.
Meine Mitbewohner in Italien studieren alle „Strategic Management“ – eine Spezialform der Betriebswirtschaftslehre. Und auch hier begegnete mir die Frage, die bei der Erwähnung meines Studiengangs fast schon Pflicht ist: „Was willst Du später eigentlich machen?“ Das ist im Grunde eine sehr berechtigte Frage, hat die Politikwissenschaft doch den Ruf, das Studium angehender Taxifahrer/innen oder gar der erste Schritt in den Bundestag zu sein. Dem ist aber gewiss nicht so! Das Studium bietet die Möglichkeit für zahlreiche Berufsfelder, auf die ich in diesem Beitrag eingehen möchte. Ich schließe meinen Bachelor im Juni 2022 ab und möchte vor dem Master ein „Gap Year“ absolvieren. In diesem Zwischenjahr beabsichtige ich durch verschiedene Praktika die unterschiedlichen Berufsbereiche kennenzulernen. Dadurch finde ich heraus, welche Tätigkeit am besten zu mir passt. Die Masterwahl lässt sich so auch besser gestalten.
Das Gap Year vorzubereiten nimmt Zeit in Anspruch: So habe ich mich bereits auf mehrere Praktika beworben und hatte auch einige Interviews – online, versteht sich.
Die verschiedenen Bereiche
Grundsätzlich können Politikwissenschaftler/innen viele Berufe ausüben, es kommt immer auf das Unternehmen und auf das persönliche Profil an. Jedoch gibt es einige Felder, in denen dieser Studiengang eher vertreten ist:
- Wissenschaft/ Forschung: Viele bleiben nach dem Studium an der Universität, promovieren also machen ihren Doktor, und arbeiten anschließend als Wissenschaftliche/r Mitarbeiter/in. Sie halten Vorlesungen, geben Tutorien und untersuchen zum Beispiel gesellschaftliche Entwicklungen. Jedoch ist die Situation in der Wissenschaft durchaus prekär – nur die wenigsten bekommen eine feste Professor/innen-Stelle. Mehr dazu findet Ihr unter #ichbinhanna.
- Beratung: Seit einigen Jahrzehnten nimmt der öffentliche Sektor (staatlich angebotene Dienste, wie Krankenhäuser, Infrastruktur etc.) verstärkt die Leistungen von Beratungsunternehmen in Anspruch. Dadurch möchte er effizienter und moderner werden. Politikwissenschaftler/innen arbeiten an dieser Schnittstelle, da sie unter anderem Expertise zu politischen Prozessen und Institutionen bringen. Meistens heißen diese Stellen „Public Sector Consulting“.
- Lobbying: Meist tituliert als Government/Public Affairs repräsentieren Absolvent/innen die Interessen von Unternehmen gegenüber der Politik und Öffentlichkeit. Hier geht es um vielerlei Aspekte, sei es Gesetzgebung oder Außenhandel. Allgemein ist der Begriff „Lobbying“ relativ negativ besetzt. Dabei ist es durchaus wichtig, dass es einen Austausch zwischen Politik und Wirtschaft gibt. Politiker/innen können sich aufgrund ihres engen Kalenders oftmals nicht gründlich mit inhaltlichen Themen auseinandersetzen. So brauchen sie Input von Unternehmen, die sie durch Gesetze regulieren.
- Medien: Ihr kennt bestimmt die Tagesschau oder habt mal die FAZ gelesen? Die Welt der Medien, auch vierte Gewalt im Staat genannt, ist ein spannendes Feld, in welchem Politikwissenschaftler/innen über aktuelle Entwicklungen in der Tagespolitik berichten. Wenn ihr auch eine Journalistenkarriere plant, seid ihr gut beraten, früh Erfahrungen in dem Bereich zu machen. Bei der Bewerbung wird normalerweise eine Arbeitsprobe gefordert. Dafür könnt ihr auch eigene Projekte umsetzen, zum Beispiel ein eigener Instagram-Kanal, auf dem ihr euch ein Thema genauer anschaut.
- Politik: Zu guter Letzt ist es naheliegend, dass die Politik Politikwissenschaftler/innen wie ein Magnet anzieht. Jedoch heißt dies nicht, dass alle im Plenarsaal des Bundestags große Reden schwingen (das gibt es natürlich auch). Vielmehr finden sie Tätigkeiten hinter den Kulissen, als Büroleiter, Mitarbeiter/innen von Abgeordneten bei Parteien oder Ministerien. Wenn ich das Feld der Politik breiter fasse, könnte ich Nichtregierungsorganisationen wie UNICEF auch dazuzählen.
Wie mein Auslandssemester mir für Praktika geholfen hat?!
Wie ich bereits erwähnt habe, hatte ich einige Interviews. Ich möchte einen Rundumblick in die Welt des Politischen bekommen. Daher versuche ich möglichst viele Bereiche abzudecken: Industrie, Unternehmens- sowie Kommunikationsberatung und das Auswärtige Amt. Diese Bereiche sind durchaus unterschiedlich. Jedoch hatten die Interviews stets gemeinsam, dass mein Auslandssemester angesprochen wurde. Das kann natürlich auch daran liegen, dass ich die Gespräche aus Rom geführt habe. Nichtsdestotrotz habe ich einmal mehr gemerkt, dass ein Auslandsaufenthalt als sehr wichtig erachtet wird: Ich wurde gefragt, wie das Leben mit meinen Mitbewohnern ist (dazu bald ein Beitrag), ob ich auf irgendwelche Schwierigkeiten gestoßen bin und ob ich mir vorstellen könnte, für eine noch längere Zeit im Ausland zu leben. Vermutlich wollen die Unternehmen so etwas über die Soziabilität und Affinität zu Herausforderungen der Bewerber/innen in Erfahrung bringen.
Ich arbeite seit fast zwei Jahren als studentischer Mitarbeiter an meiner Heimatuniversität. Dort unterstütze ich die politikwissenschaftliche Forschung, indem ich nach relevanter Literatur suche oder Daten analysiere. Generell kann ich sagen, dass insbesondere das Auslandssemester meinen folgenden Eindruck bestätigt hat: Ich kann mir momentan keine Karriere in der Forschung beziehungsweise Wissenschaft vorstellen. Denn – meiner Meinung nach – ist Forschung oft sehr langwierig und insbesondere in Deutschland oft sehr undankbar (schaut euch den oben erwähnten Blog zu #ichbinhanna an). Auch wenn ich das quantitative Profil der Uni Mannheim (also, dass viel Datenanalyse und Statistik gelehrt wird), aufgrund der vermittelten analytischen Fähigkeiten sehr schätze, bin ich eher ein Mensch, der sehr gerne mit anderen Menschen zusammenarbeitet und seine Kenntnisse praktisch einsetzt. Die spannenden Geschichten meines Geopolitik-Professors in Rom haben mich sehr fasziniert. Er arbeitete als Diplomat, aber auch als Berater für eine Bank. Daher möchte ich ebenfalls in diese Richtung gehen. Die Praktika im Gap Year sind daher für erste Erkenntnisse hervorragend.
Nun sind zwei Praktika – eines in einem Industrieunternehmen, das andere bei einer Unternehmensberatung im Public Sector Consulting – für das Gap Year sicher. Aktuell laufen zwei Bewerbungen für eine Kommunikationsberatung und für das Auswärtige Amt, genauer gesagt, für einen Aufenthalt an einer deutschen Auslandsbotschaft.
Drückt mir die Daumen!
Ciao, a presto!
(Mehr Infos zu „Jugend und Parlament“ gibt es hier.)