22. Juli 2016
Immer, wenn ich jemanden in Deutschland kennenlerne, kommt früher oder später diese Frage: Woher kommst du? Die Einen fragen freundlich, interessiert nach und die Anderen unfreundlich und teilweise schon ungehalten. Aber mit der Zeit ist diese Frage für mich eher anstrengend geworden.
Mit sechs Monaten wurde ich aus Guatemala adoptiert, aufgewachsen bin ich in Deutschland. Viele würden mich deswegen als deutsch bezeichnen. Aber ich fühle mich nicht deutsch, allerdings genauso wenig guatemaltekisch.
Für mich selbst hat mein Aussehen und auch meine Hautfarbe selten eine Rolle gespielt. Manchmal vergesse ich sie auch. Einmal bin ich in Berlin mitten durch eine Demo gelaufen und als ich mitten drin war fiel mir auf, dass viele der Versammelten Springerstiefel trugen. Erst da machte ich mir Gedanken darüber, ob meine Hautfarbe vielleicht ein Problem für mich sein könnte. Zum Glück war die Situation aber ungefährlich. Und auch sonst habe ich kaum negative Erfahrungen gemacht. Nur einmal wurde ich in einem großen Kaufhaus durch mein Aussehen verdächtigt etwas geklaut zu haben und seit es vermehrt Flüchtlinge in Deutschland gibt, wurde ich nur ein einziges Mal angepöbelt. Meine Mutter hat schlechtere Erfahrungen gemacht, denn als ich noch klein war wurde sie gefragt woher sie „dieses“ Kind hat. Da ich natürlich nicht hellhäutig war, so wie sie und viele Deutsche.
Da ich zwar braun, aber ansonsten für Viele nicht einzuordnen bin, kommt früher oder später immer die oben schon erwähnte Frage. Viele Leute fragen freundlich und mit einem gewissen Feingefühl, aber es gibt genug Andere, die ziemlich unwirsch und unfreundlich, fast schon aggressiv fragen. Früher habe ich immer versucht die Frage „richtig“ zu beantworten, bis ich gemerkt habe, dass das nicht möglich ist. Mal habe ich mit meiner Geschichte geantwortet, mal mit meinem Wohnort und jedes Mal kam doch – „Das habe ich nicht gemeint.“
Deswegen habe ich irgendwann damit angefangen mit einer Gegenfrage zu antworten. Manche, die sehr direkt fragen, sind dadurch peinlich berührt, denn ihnen wird dadurch plötzlich ihr fehlendes Feingefühl bewusst. Wenn man sich mit jemand angeregt und wirklich gut unterhält und dann die Frage kommt beantworte ich sie sehr gerne. Wenn mich aber jemand zu direkt und unhöflich fragt, bin ich oft genervt von der Frage und habe keine Lust zu antworten. Denn eine Rechtfertigung für mein Aussehen und meine Person, das muss wirklich nicht sein!
Warum fühlst du dich nicht deutsch?
Ich bin zwar in Deutschland aufgewachsen und viele meiner Freunde sind deutsch, aber bin ich dadurch deutsch?
Zur Vorbereitung für Argentinien habe ich an einem interkulturellen Workshop an meiner Hochschule teilgenommen. Dort sprachen wir über die Eigenschaften der verschiedensten Nationalitäten. Bei den Eigenschaften die man als „deutsch“ bezeichnet habe ich mich bei einigen wiedererkannt, aber längst nicht bei allen. Deutsche sind das direkteste Volk der Welt, darin kann ich mich auch wieder finden und auch Pünktlichkeit und eine gute Organisation sind für mich wichtige Begriffe. Allerdings empfinde ich viele Deutsche als „kälter“ im Vergleich zum Beispiel mit Latinos. Bei diesen habe ich mich immer unglaublich wohl gefühlt – ein Gefühl des Nachhausekommens. Wie Latinos auf mich reagieren und welche Frage dort immer zu Problemen führt, folgt in meinem nächsten Blogeintrag.
Da ich mich weder als deutsch noch als guatemaltekisch bezeichnen möchte, wusste ich lange nicht was ich auf die Frage „Was bist du?“ antworten sollte. Ein Bekannter brachte meine zwiegespaltene Zugehörigkeit auf den Punkt, denn er bezeichnete mich als deutsch sozialisiert. Darin kann ich mich wiederfinden. Denn ich wurde mein Leben lang durch deutsche Sitten und Werte geprägt.