20. Oktober 2017
Gehe ich durch die Altstadt von Lissabon, fällt mir vor allem eines auf: Es gibt ohne Ende Leerstand. Zum Teil halb verfallen, in vielen Fällen in sanierungsbedürftigem Zustand, aber immerhin leer. Dann begeben wir uns auf Wohnungssuche und sind entsetzt über die Preise hier. Die sind nämlich, um eine hier ansässige Deutsche zu zitieren, ‚wie in München‘. Wie kann das sein?
Wunderschöne, aber total marode Altbauten wie diese finden sich in Lissabon in jeder Straße.
Verfehlte Wohnungspolitik als Erbe der Diktatur
Um die Lebenshaltungskosten der Portugies_innen zu senken, wurde 1947 unter der Diktatur Salazars ein Mietpreisstopp verfügt und erst nach 40 Jahren aufgehoben. Durch die hohe Inflation sanken die realen Mieten dabei auf Kleckerbeträge, was sich bis 2006 auch nicht geändert hat. Die Mieterhöhungen blieben auf den Inflationsausgleich begrenzt. Infolgedessen verfielen die Altbauten, weil sich über Jahrzehnte kein_e Vermieter_in die Instandsetzung leisten konnte. Momentan stehen hier deshalb ca. 30.000 Häuser in der Stadt leer.
Das veränderte Mietrecht von 2006 ermöglicht nun eine Mietanpassung innerhalb von vier Jahren. Außerdem kaufen viele ausländische Investoren diese Häuser auf, sanieren sie und vermieten sie dementsprechend teuer. Mittlerweile liegt Lissabon im Mietspiegel der europäischen Großstädte auf Platz 19.
Für viele von der Wirtschaftskrise gebeutelten Portugies_innen sind die bewohnbaren Häuser in Lissabon nicht mehr bezahlbar. Sie ziehen in die Vorstädte. Das würde erklären, weshalb sehr viele Alte, aber nur verhältnismäßig wenig junge Familien im Stadtbild sichtbar sind. Lissabon hat die höchste Prozentzahl der über 65-jährigen in ganz Europa.
Wer glaubt, in Deutschland gäbe es viele Alte, der soll mal nach Lissabon kommen. So viele alte Leute auf einem Fleck habe ich sonst noch nie getroffen.
Spannend ist auch, dass Erasmusstudierende integraler Bestandteil der Wohnungspolitik Lissabons sind und auch deshalb in die Stadt gelockt werden, um den Wohnungsmarkt anzukurbeln. Jährlich sind es etwa 3.000.
Tschüss Campingplatz: Von 6m2 zu dritt in eine Zwei-Zimmer-Wohnung zu sechst
Die Idee, mit dem Wohnwagen von Berlin nach Lissabon zu fahren, hat sich hiermit im Nachhinein als sinnvoll erwiesen. Unserer kleine Basis am Campingplatz lässt uns das die Sache mit der Wohnungssuche nämlich recht entspannt angehen. Wie ich schon im letzten Post berichtete, lernen wir dort nämlich noch eine andere Erasmusfamilie in einer ähnlichen Situation kennen. Und überlegen nicht lange, sondern beschließen zusammen nach einer Unterkunft zu suchen.
Passend zum Herbstanfang ziehen wir vom Campingplatz und nach zweieinhalb Monaten aus dem Wohnwagen. Schön wars.
Das Ganze gehen wir dann erstmal ziemlich naiv an. Über diverse Plattformen stellen wir Inserate online, mit in etwa folgenden Kriterien: Zwei Familien suchen eine vier-Zimmer-Wohnung unter 1.000 Euro in der Stadt. Darin sind zwei ziemlich utopische Vorstellungen enthalten. Denn erstens sind WGs, zumal mit Familien, hier etwas sehr Ungewöhnliches. Denn wer studiert, wohnt in der Regel bei seinen Eltern und kann sich kein eigenes Zimmer leisten. Zweitens, ist eine 4-Zimmer-Wohnung in Stadtnähe für den Preis undenkbar. Auf unsere Anfragen kommen dementsprechend überhaupt keine Reaktionen (Berliner Wohnungsmarkt lässt grüßen).
Also versuchen wir es erneut und über verschiedene Agenturen. Dabei verschweigen wir Füchse dann einfach die Kinder und kommen schlussendlich an eine 2-Zimmer-Wohnung für 1.000 Euro im Monat, die wir nun vorerst zu sechst beziehen. Aber, wenig Platz – das sollte nach mehr als zwei Monaten auf sechs m² unser Problem nicht sein.
Wohnungstipps für andere Erasmusstudierende in Lissabon
Obwohl ich einige dieser Plattformen nicht unbedingt unterstützen möchte (da sie die Wohnungsnot einfach ausnutzen um Cash zu machen), hier ein paar Links, die die Wohnungssuche in Lissabon erleichtern können.