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Wozu Erasmus? Meine Entscheidung für Belfast (Teil 2)

Im ersten Teil habe ich erwähnt, dass ich kein Erasmus machen wollte, nur um einfach eine beliebige Auslandserfahrung zu sammeln. Wenn schon, dann muss es eine Universität sein, die für mich einen Mehrwert hat. Es braucht etwas, das ich in München nicht haben kann. Als ich die Partnerunis meiner Fakultät recherchiert habe, blieb mein Interesse wegen des Zauberworts „Religionssoziologie“ an der Queen’s University Belfast hängen.

Religionssoziologie ist genau das Feld, indem ich gerne mein Studium spezifizieren wollte. Darum studiere ich neben Soziologie auch Religionswissenschaft im Nebenfach. Manchmal habe ich mein Nebenfach sogar lieber als mein Hauptfach. Die Religionssoziologie ist das Baby aus beidem, von dem ich mehr wissen will. Wenn Du erfahren willst, warum ich mich überhaupt für Erasmus entschieden habe, dann lies zuerst den ersten Teil.

Warum Belfast?

An der Uni in Belfast gab es eindeutig mehr Kursangebote von Religionsdozierenden als an meiner Heimatuni. Gleichzeitig hat mich die politische Situation von Belfast durch den Nordirlandkonflikt interessiert. Mein erster Gedanke war, dass es spannend sein muss, in diesem Land Soziologie zu studieren. Mein Studienfach würde durch diesen Kontext andere Facetten hervorbringen. Aufregend! Außerdem hatte mein erster Eindruck der Uni ein Campusleben gezeigt, dass mir hier in München fehlt. Damit wurde der Traum eines anderen Studienlebens greifbar.

Anders als erwartet

Es motiviert mich bis heute der Gedanke, dass ich jetzt hier sein kann, um die Geschichte Nordirlands zu verstehen und Soziologie auf eine andere Weise kennenzulernen. Tatsächlich würde ich behaupten, dass die Lehre hier – so wie ich es bisher erlebe – mehr beeinflusst ist von Politikwissenschaft. Das macht es nicht weniger spannend, es ist aber anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Der Fokus liegt in meinen Kursen nicht auf Religion(ssoziologie) selbst, aber ich bekomme ein tieferes Verständnis davon, wie verwoben Soziologie, Religion und Politik sein kann. Ich belege hier Kurse zu Konflikt- und Friedensprozessen, zu aktuellen Fragestellungen der irischen Gesellschaft und zu sozialer Ungleichheit. Das Besondere ist, wenn Aspekte des Nordirlandkonflikts thematisiert werden, sprechen wir nicht von etwas, das räumlich oder emotional irgendwo in der Ferne stattfindet. Die Auswirkungen des Konflikts sind in dieser Stadt auch heute spürbar und nachvollziehbar.

Campusleben schnuppern

Die Entscheidung, nach Belfast zu gehen, war aber nicht nur fachlich orientiert. Es war mein Wunsch, mal mehr Campusleben zu genießen, mal alles beieinanderzuhaben: mein Wohnheim, meine Kommiliton*innen und Freund*innen, meine Hobbys, Freizeitmöglichkeiten, Bars in der Nähe – alles, was das Herz eines Studierenden begehrt! All das erfüllt die Queen’s University für mich zu genüge. Vielleicht aber auch deswegen, weil ich mal nicht in einer Millionenstadt wie München lebe, in der alles sehr weitläufig ist und Freund*innen überall verteilt wohnen.

Allein sein können

Es gab noch einen für mich persönlich wichtigen Grund, weswegen ich grundsätzlich doch Erasmus machen wollte. Im ersten Teil hatte ich erzählt, dass ich mit dem Studium in München ursprünglich die Beständigkeit an einem Ort haben wollte. Es war etwas, das ich damals lernen musste für mein rastloses und sprunghaftes Gemüt. Mit Erasmus habe ich für mich die Chance gesehen, etwas ähnlich Wichtiges zu lernen: Allein sein können.

Damit meine ich mehr eine Selbstständigkeit und Eigenverantwortung, die ich testen wollte. Ich liebe Gemeinschaft und es fällt mir allzu leicht, mich mit Freundschaften und sozialen Aktivitäten zu überfluten. Ich orientiere mich lieber an meinem vertrauten sozialen Umfeld zu Hause. Selten habe ich Dinge geplant, ohne einen blassen Schimmer davon zu haben, wie ich das allein gestemmt bekomme. So gesehen wollte ich auch mich selbst herausfordern, um über mich hinauszuwachsen.
Vor zwei Jahren wäre mir das alles vermutlich noch viel zu viel gewesen. Aber jetzt merke ich, dass es ein guter Zeitpunkt ist. Ich lerne vor allem, dass ich mir genügen kann, dass ich doch genug Erfahrung habe, um zurechtzukommen, und dass ich an Erfahrungen dazu gewinne. Genau da wollte ich hin! Nach Belfast und irgendwie auch näher zu mir selbst.

Cheers,
Cynthia-Lane

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