studieren weltweit

Zuhause und doch nicht daheim

Mehr als vier Monate wohne ich schon in Belfast und inzwischen fühlt es sich an, als würde das so bleiben. Ich fühle mich zuhause und habe hier meinen aktuellen Lebensmittelpunkt aufgebaut. Was sich alles in diesen Monaten getan hat und wie ich in die Zukunft blicke, das will ich in diesem Zwischenfazit festhalten.

Morgens wache ich vom Vogelgezwitscher auf. Wenn ich meine Vorhänge zur Seite ziehe, sehe ich, wie das Grün der Bäume aus den Ästen sprießt. Ich mag mein Zimmer und den Fensterausblick. „Das werde ich vermissen“, sage ich mir oft. Es fühlt sich inzwischen so normal an, hier zu wohnen und Studentin an der Queen’s University zu sein. Mit meinem Fahrrad fahre ich fast jeden Tag an der Uni vorbei oder über den Campus. Abends treffe ich meine Freund*innen in Pubs, verabrede mich tagsüber auf einen Kaffee und bin regelmäßig unterwegs, um Sport zu machen. Am Wochenende gibt es immer jemanden, der einen Ausflug raus aus der Stadt macht. Die Zeiten des intensiven Studierens sind zwar vorbei, aber ich setze mich trotzdem gerne an die Lernplätze in der Bibliothek, um Dinge am Laptop abzuarbeiten. Auch die Cafeteria nutze ich noch, um mir entspannt Mittagessen zu holen, anstatt jeden Tag aufs Neue zu kochen.

Fensterausblick
Meine Fensteraussicht ins Grüne

Aller Anfang war schwer

Am Anfang meines Erasmussemesters konnte ich mir nicht vorstellen, dass es sich dann wirklich so gut anfühlt wie jetzt. Andere Studis, die mir noch in Deutschland von ihrer Erasmuszeit vorgeschwärmt haben, meinten vermutlich diese Zeit, die ich jetzt habe. Diese Phase, in der sich alles vertraut anfühlt, die Uni einem nicht mehr (oder nicht so sehr) zur Last fällt, Freundschaften bestehen und ganz viel Zeit übrig ist, um es einfach zu genießen. Der Anfang sah kaum danach aus. Anfangs dachte ich, dass ich mich immer ein bisschen isoliert fühlen werde, weil ich immer zwischen zwei Welten leben werde: meinem sozialen Umfeld in München und mein aktuelles Unileben in Belfast. Der Einstieg in die Universität hatte anfangs viel Aufmerksamkeit gebraucht, da ich mich auch an die akademische Sprache erstmal gewöhnen musste. Langsam hatte ich mich auch getraut mit Kommiliton*innen ins Gespräch zu kommen und sich zu vernetzen. Dadurch fiel mir das Studieren leichter und es hat auch Spaß gemacht. Mit der Zeit hat sich der Lebensmittelpunkt gänzlich nach Belfast verlagert. Neben dem Studieren habe ich angefangen, meine Hobbys in Belfast zu etablieren oder Neues auszuprobieren wie zum Beispiel regelmäßig zu joggen mit einem Lauftreff. Außerdem wollte ich diese Zeit auch nutzen, um vieles für mich allein zu entdecken. Da war mein Solo-Wandertrip nach Schottland ein wahrer Höhepunkt. Aber auch viele Alltagsmomente, die ich mit mir allein austragen musste, waren dabei. Kontakte nach Deutschland wurden und werden zwar immer gepflegt, aber die Intensität hat nachgelassen. In Belfast habe ich mir nicht nur ein neues soziales Umfeld aufgebaut, ich habe durch das auf mich gestellt sein auch Selbstvertrauen entwickelt. Eine Selbstsicherheit, die mit meinem Leben und Wohnen in Nordirland in Verbindung steht.

Mein lieb gewonnenes Leben in Belfast

Ich merke auch, dass meine Wahl für Belfast genau richtig war. Diese Stadt hat die perfekte Größe für mich, um genug zu entdecken, ohne dass es viel zu viele Möglichkeiten gibt wie in der Millionenstadt München. Am meisten genieße ich, dass die meisten meiner Freund*innen und meiner Aktivitäten in Campusnähe sind. Sich spontan zu treffen oder sich zufällig über den Weg zu laufen ist viel einfacher und schöner, wenn alles näher beisammen liegt. Dazu muss ich sagen, dass auch die Uni sehr schön gelegen ist mit einem wunderschönen Park nebenan, einem Ausgehviertel und vielen Angeboten wie zum Beispiel eine große Sporthalle mit vielen tollen Kursen oder ein Kino. Das alles konnte ich erst mit der Zeit genießen. Zuerst musste ich mich im Studium zurechtfinden. Die ersten Tutorien saß ich oft etwas planlos da und hatte gehofft, dass ich mitreden kann (oder gar nicht erst reden muss!). Manchmal hatte mir besonders der nordirische Akzent noch zu schaffen gemacht. Die ersten Wochen musste ich definitiv mehr Zeit investieren, um sicherzugehen, dass ich alles inhaltlich und sprachlich verstehe. Meine Dozentinnen und meine Neugier für die Kursinhalte, die viele Facetten von Nordirland beleuchtet haben, haben es mir einfach gemacht. Es fiel mir leicht, mich dafür zu begeistern und mich dafür hinzusetzen und zu lernen. Am schwierigsten finde ich aber immer noch einen akademischen Schreibstil auf Englisch zu etablieren. Das scheint nicht meine Stärke zu sein. Diese intensiven Essay-Schreibphasen haben mich da absorbiert und angestrengt. Aber es war dennoch ein Erfolg, sich durchzuarbeiten. In meinem Studiengang wurden an der Queens University über das Semester hauptsächlich Essays als Prüfungsleistungen verteilt.

Der gezwungene Blick in die Zukunft

Letztendlich ging mir das Semester viel zu schnell vorbei. Es war zwar chaotisch durch die verstreuten Streiktage im Februar und März und der dreiwöchigen Osterpause. Im Nachhinein kommt es mir wie ein Augenblick vor, obwohl die letzten vier Monate vollgepackt waren! Jetzt packen tatsächlich die ersten in meinem Wohnheim ihre Sachen und reisen endgültig ab. Ich war davon ausgegangen, dass ich bis Anfang Juni studiere und dann erst anfange, mich nach und nach zu verabschieden. Dass das Semester so viel früher für mich vorbei ist, habe ich vielleicht erst vor einem Monat so richtig begriffen. Damals dachte ich schon, dass sich das sehr komisch anfühlt. Jetzt lebt sich vieles mit Blick auf das Ende. Ich fühle mich ein bisschen zerrissen, alles aus der Perspektive einer Vergänglichkeit zu sehen. Der Gedanke, dass alles in knapp zwei Monaten hinter mir zu lassen tut schon ein bisschen weh. Dabei ist doch auch München mein Zuhause. Zurück in Deutschland wird das Leben wieder komplizierter mit Wohnungssuche, jobben, alle Freund*innen und Familie wiedersehen. Sicherlich wird es auch schön zurück zu sein. Ich mag aber, dass das noch alles weit weg sein darf und ich zufrieden in Belfast mit all meinen Errungenschaften bin.

Cheers,
Lane

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